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Die Bonner "Kunsthalle", deren größten Teil der Kunstverein einnimmt, ist in ihrer heutigen Gestalt das Resultat einer aus Kostengründen mehrfach reduzierten Fassung des ursprünglichen Entwurfs von Haus-Rucker-Co.[+] Grundstück und Objekt befanden sich im Besitz des im Rheinland als "Burgenkönig" bekannten Großbauunternehmers Herbert Hillebrandt, der zunächst davon überzeugt werden mußte, die im Auftrag der Stadt Bonn erfolgende Planung nicht seinem internen Baubüro zu überlassen, sondern das Wunschteam des Kunstvereins zu beauftragen. Berichtet wird von hartnäckigen Auseinandersetzungen während des gesamten Baufortschritts. Hillebrandts gestalterische Vorstellungen wichen von denen des Vereins erheblich ab; sie lassen sich in etwa an der die Halle umfassenden Wohnbebauung ablesen, in der der Kunstverein als ästhetischer Fremdkörper steht.
Diese um zwei Wohnhöfe gruppierte Blockbebauung, die zwei Seiten der alten Halle einschließt, war zur Zeit der Planungen von Haus-Rucker-Co bereits im Bau, so daß die Architekten darauf reagieren konnten bzw. mußten. Nur die Schmalseite gegen den Hochstadenring blieb weiterhin öffentlich zugänglich; so erklärt sich die Verlegung des Zugangs an diese Seite und daraus folgend die Drehung der Hauptachse in Längsrichtung. Da die westliche Außenwand mit den Büroeinbauten von der Umgebungsbebauung in ganzer Länge verdeckt werden würde, nahmen die Architekten die dortige Galerie vollständig heraus und hängten stattdessen eine Zwischendecke von ungefähr gleicher Breite in halber Höhe hinter die östliche Glaswand, um den hier entstehenden neuen Verwaltungstrakt mit Tageslicht zu versorgen. Die Grundfläche der alten Halle ist sowohl in Längs- als auch Querrichtung im Verhältnis 3 zu 2 geteilt worden. Den größeren, L-förmigen Teil erhielt der Kunstverein zugeschlagen, das durch eingezogene Wände abgetrennte kleinere Rechteck beherbergt das Künstlerforum. Über dem vorderen, schmalen Bereich der Kunstvereinsfläche wurde ebenfalls eine Decke eingezogen, so daß für den Verein ein niedrigerer Ausstellungsbereich nahe dem Eingang entstand und darüber Raum für kleinere Kultureinrichtungen gewonnen wurde.[+] Außerdem wurde hier eine schmale Erschließungs- und Sanitärzone abgetrennt.
Nachdem sich die Umbauplanung seit 1984 hingezogen hatte und die endgültige positive Entscheidung der Stadt ab 1985 vorlag, konnte die Kunsthalle schließlich im Januar 1987 eröffnet werden.
Mit der Abtrennung der neuen Verwaltungszone durch eine durchgehende Längswand haben Haus-Rucker-Co zusätzliche Hängefläche gewonnen und den Hauptraum vom direkten Tageslicht bis auf die Oberlichter abgeschnitten. Im Verein mit der Freilegung der Stützenreihe der ehemaligen Galerie und Zuschlagung dieser Fläche zum Hauptraum ist eine angedeutete dreischiffige Halle von 22 mal 33 m entstanden, die ein breites "Mittelschiff" und zwei schmale "Seitenschiffe" besitzt.[+] Die Höhe dieses zentralen Ausstellungsraumes beträgt etwa 6,5 m; sie macht ihn geeignet für die großzügige Hängung auch großformatiger Arbeiten und raumgreifender Installationen. Unregelmäßigkeiten in den Wänden sind bis knapp unter die Unterzüge der Decke durch eine Auskleidung mit MDF-Platten ausgeglichen worden. Die freie Hallenfläche kann durch ein System nicht ganz raumhoher mobiler Zwischenwände organisiert werden.[+] Um die teils runden, teils rechteckigen Pfeiler einander anzugleichen und plane Anschlußflächen für diese Trennwände zu erzielen, sind alle Stützen quadratisch mit Holzplatten ummantelt, die ebenfalls bis zu den Unterzügen hinauflaufen. Gleichzeitig wird dadurch der optische Querschnitt dieser an sich überschlanken Stützen den großen überbrückten Spannweiten angemessener.
Ein ähnliches System von mobilen Trennwänden läßt sich zwischen den beiden von Haus-Rucker-Co neu eingesetzten Stützen im niedrigeren Eingangsbereich aufbauen. Die dortige Hängefläche kann damit mehr als verdoppelt werden. Dieser vordere Ausstellungsbereich eignet sich (trotz etwas ungünstiger Belichtung) besonders für intimere "Studioausstellungen" mit Grafik oder ähnlichen Kleinformaten, außerdem kann in der Mitte durch das Einsetzen aller drei Zwischenwände ein separater Raum abgetrennt werden, der durch zwei Türöffnungen zugänglich ist. Der Zugang von hier in die große Halle wird beherrscht von der am hinteren Ende eingebauten Theke des "Glaskastens", der als Aufsicht, Kassenhäuschen und zum Türöffnen, gelegentlich aber auch als Ausstellungsbereich fungiert. Beim Betreten und Durchschreiten des Kunstvereines ergibt sich eine von den Architekten beabsichtigte Abfolge von der flachen, etwas drückenden Eingangszone in die beeindruckend großzügige Halle.
Im Obergeschoß des langgestreckten Verwaltungsbereiches liegen an einem schmalen Erschließungsgang auf der einen Seite Sekretariat und Büros, auf der anderen die Artothek, an deren Stelle ursprünglich eine Bibliothek eingeplant war. Im Untergeschoß finden sich ein Vortragsraum, der gewöhnlich als Mehrzweckfläche genutzt wird, sowie Lager und "Werkstatt". Die fehlende Erfahrung von Haus-Rucker-Co bei der Planung eines Ausstellungsraumes zeigte sich insbesondere daran, daß das projektierte Lager völlig unterdimensioniert war. Glücklicherweise ergab sich nachträglich noch die Möglichkeit, einen Teil einer Tiefgarage, die im Innenhof gebaut wurde, für den Kunstverein abzuzweigen. Diese wird erschlossen durch eine nachträglich eingebaute Treppe, die fast den ganzen Raum der geplanten Werkstatt einnimmt, allerdings jeder Bauvorschrift Hohn spricht.
Die Fassade zum Innenhof war im Urzustand nahezu vollständig verglast. Durch das Einziehen der Zwischendecke und von Bürotrennwänden wurde es notwendig, als Sichtblende einen Teil der Glasfelder durch Blechplatten zu ersetzen, deren braune Farbe sich an den originalen Fensterprofilen orientiert. Ansonsten aber ist die Ostfassade derjenige Teil der Halle, an welchem Haus-Rucker-Co als einzigem das Originalbild des Blumenmarktes fast unverändert bewahrt haben.
Der Architekt Manfred Gerhards war von seinen Bauherren, den Vereinigungen der Bonner und Kölner Gartenbaubetriebe, die jede nicht unmittelbar notwendige Ausgabe scheuten, sehr knapp gehalten worden. Mit dem Argument, immerhin befinde sich der Bau an der Haupteinfallsstraße Bonns aus Richtung Köln, da könne man nicht einfach eine ungegliederte Kiste hinstellen, gelang es ihm innerhalb des bewilligten Bauetats nur an dieser einen Stelle, einen bescheidenen gestalterischen Mehraufwand durchzusetzen. Den Auftraggebern war im Prinzip schon die rhythmische Gliederung der Glasfassade durch vorspringende Stützen zu viel. Vor diese tragenden Betonpfeiler montierte der Architekt nun zusätzlich flache keilförmige Sichtbetonelemente mit breitem hexagonalem Umriß, die ungeachtet ihrer Massivität keinerlei statische Funktion haben, sondern allein an dünnen Bolzen vorgeblendet sind. Dazu kommen korrespondierende Betonplatten an der Dachkante, die in Art eines angedeuteten Gebälks den oberen Hallenabschluß akzentuieren sollten. Mit der in Beige und Braun kontrastierenden Farbgebung und ihrer etwas klobigen prismatischen Formgebung sind diese Gestaltungselemente überaus charakteristische Stilmittel der Siebziger Jahre. Vor allem aber handelt es sich bei genauem Hinsehen (und etwas Phantasie) um stilisierte Tulpen, denn es ging ja schließlich um einen Blumenmarkt...[+]
Während der Rest der Halle aus heutiger Sicht durchaus überzeugend funktional und flexibel konstruiert ist - das hat sie beim Umbau ja hinlänglich bewiesen, und mehr kann man von einem Industriebau zunächst nicht erwarten[+] - ist gerade diese Stelle, die seinerzeit explizit durch ästhetische Gestaltung ausgezeichnet werden sollte, besonders auffällig gealtert und heute wohl der am wenigsten überzeugende Teil des Gebäudes. Anfangs war der hier liegende Zugang zusätzlich durch einen Betonvorbau geschützt, der auf alten Fotos noch zu sehen ist und in äußerst zeittypischen und heute unfaßbaren Formen den Schrägflächen der "Blumenblätter" folgte. In diesem Bereich steht heute das sogenannte "Glashaus", das als Cafeteria und zusätzlicher Veranstaltungsort benutzt wird.
Eine Cafeteria war auf dem jetzigen Platz im Innenhof bereits in den ersten Plänen skizziert, konnte aufgrund der knappen Mittel aber erst 1988 verwirklicht werden. Das Glashaus, ein rundum in Fensterflächen aufgelöster Tempietto aus zwei glatten Betonscheiben mit dazwischenliegenden Rundstützen, schiebt sich wie ein Satellit in den Hofraum. Es drückt mit jedem Detail den Widerspruch zur rechtwinkligen, flächigen, puristischen Formensprache der Haupthalle aus: in seinem ovalen Grundriß, in welchen sich die geradlinige Zunge des Verbindungsganges abrupt hineinschiebt, in der gegenüber der Halle gedrehten Längsachse, sogar der gebogenen roten Theke und natürlich der Extrovertiertheit der Vollverglasung. Laut einem Ausspruch von Manfred Ortner ist dieser Bauteil ausdrücklich dazu gedacht, daß der Besucher mit dem Weg aus der selbstbezogenen Atmosphäre der Ausstellung zugleich bildlich aus der Kunst heraustreten und in die lebendige Außenwelt hinausblicken könne. Der Kontrast sowohl zur Halle, aber auch zur verharmlosenden Heimeligkeit des umgebenden Hofes, der mit der Verklinkerung der angrenzenden Wohnbauten die wahre Lieblosigkeit und Kleinbürgerlichkeit dieser Lebenswelt verschleiert, hätte ursprünglich mit einem knallig blauen Außenanstrich des Glashauses noch erhöht werden sollen. Ein Stückchen Utopie, das auf die transparenten Luftblasen und blauen Ballons der Anfänge von Haus-Rucker-Co zurückweist.
Zu erläutern bleibt noch der Eingangsbereich der Kunsthalle, dem bei der feierlichen Eröffnung der Name "August-Macke-Platz" verliehen wurde. Er wird überspannt von einem offenen Gerüst aus verzinkten Stahlrohren und Trägern, das den eigentlichen Hauptbau um ein Stück überragt. Die Konstruktion setzt sich in der Untersicht aus einem Raster von 10 Quer- und 5 Längssegmenten zusammen; das entspricht genau dem Raster der dahinterliegenden Halle. Die Kante gegen den Hochstadenring ist im Kontrast dazu in weitem Bogen gerundet. Auch dieses Objekt ist letztlich das Resultat einer Planreduzierung. Gedacht war anfangs an einen verglasten Skulpturenhof als Übergangszone zwischen Außen- und Innenraum. Das Gerüst umreißt dessen Außenform; es ist zugleich Architekturvolumen, Raumkante, Leerstelle und Abbreviatur der feierlichen klassisch-klassizistischen Säulenfront.
Die zurückgesetzte Eingangsfront des Baues ist verkleidet mit industriell gefertigten grauen Betonsteinen, von denen jede zweite Lage mit der Bruchkante nach außen verlegt worden ist, so daß sich ein untektonisches, leicht textil oder tapetenartig anmutendes Streifenmuster einstellt. Die Verkleidung ist an den Seitenkanten so vorgezogen und um etwa einen Meter entlang der angrenzenden Brandmauern fortgeführt worden, daß der Verblendcharakter und die geringe Stärke des Materials deutlich erkennbar ist.[+] Aus einem in Kopie erhaltenen Modellfoto geht hervor, daß diese Mauerzungen ursprünglich bis nach vorne zu den Stahlsäulen durchlaufen sollten und so noch stärker den Eindruck eines halbprivaten Innenraumes hervorgerufen hätten. In den kurzen Reststücken hat man die Minimalform vor Augen, die nach Meinung von Haus-Rucker-Co die ursprüngliche Idee noch auszudrücken vermochte und gleichzeitig finanzierbar war.
An dieser Schmalseite besaß die Halle eine durchgehend gemauerte Wand; die benötigten beiden Eingänge für Künstlerforum und Kunstverein schufen Haus-Rucker-Co, indem sie daraus wie mit einem scharfen Messer zwei rechteckige Mauerstücke herausschnitten. Die beiden Wandstücke sind zur Verbildlichung herausgerückt und zwischen den Stahlsäulen an der Kante zum Straßenraum abgestellt worden. An der Außenseite tragen beide Teile obendrein die gleiche graue Steinverkleidung wie die Eingangsfront, aus der sie dem Augenschein nach stammen sollen.