ABR
Stuttgart
Die 1982 gegründete Künstlergruppe ABR läßt sich schlecht in Kategorien einordnen. "Realkunst" wäre noch der am ehesten geeignete Begriff, diese zwischen Innenraum-Architektur, Philosophie und Bildender Kunst angesiedelten Künstler zu charakterisieren. Die Arbeitsweise der aus den Individuen Gerrit Hoogerbeets, René Straub, Harry Walther und (bis 1984) Ulrich Bernhard bestehenden Denk- und Künstlergruppe ist charakteristisch: ABR - wobei die Lesart "Archiv beider Richtungen" nur eine mögliche Ausdeutung des Kürzels darstellt - läßt seine Gestaltungen stets in der Anwendung auf bestimmte Räume sichtbar werden. Die Theke des Stuttgarter Künstlerhauses funktioniert dort für eine gewisse Zeit als ein schön gestalteter Einrichtungsgegenstand und wird beispielsweise in einer Ausstellung im Bonner Kunstverein 1988 - ihrer Funktion beraubt -unversehends zum zentralen Element einer Kunstausstellung. Ein eigens gestaltetes Hochzeitszimmer im Hamburger Sphinx-Hotel steht 1989 am Anfang jener Räume, die auf Dauer und ständigen Gebrauch angelegt sind. Den spezifischen Impuls, den eine Bücherei im kulturellen Spektrum einer Stadt setzt, greift ABR mit der Wandgestaltung im Treppenhaus der Stuttgarter Stadtbücherei auf: der Durchgangs-Raum erfährt eine Bedeutungsvertiefung. Im Vortragsraum der Bibliothek haben zwei Mitglieder eine quasi archäologische Aufbereitung ihrer Arbeitsmittel inszeniert: Erinnerungsstücke einer gemeinsamen Biographie ebenso wie Bestandteile einer großen Sammlung an Musterwalzen mit Ornamenten für die Wandgestaltung. ABR dokumentiert und publiziert seine Interventionen in klassischen künstlerischen Ausdruckformen: dem Buch oder dem - im übrigen jedesmal sehr präzise als Siebdruck ausformulierten - Künstlerplakat. Die zunächst vielleicht verstiegen wirkende Vitrinengestaltung offenbart eine Anbindung, die die Gruppe der Institution "Bücherei" anbietet: sie greift ineinander mit einer Ausstellung jener Plakate, mit denen ABR bislang jede ihrer Aktionen begleitete und endet in einer Buchpublikation und einem neuen Plakat: "Zwei Männer im Frühling". Dieser Siebdruck stellt auch mit seinen Motiven, zwei drolligen Figuren, von denen eine ein Buch hält, den Bezug zur öffentlichen Bücherei deutlich heraus. Vor allem aber der Weg, den das Plakat geht, wenn es denn von der Graphothek ausgeliehen wird, macht die Verschränkung von Motiv, künstlerischen Arbeitsmittel und dem Gebrauch der Arbeit klar. Für eine Graphothek im Rahmen einer Stadtbücherei entworfen, wirkt dies in den Bilderverleih gebrachte Plakat zurück auf die alltägliche Wohn- und Lebensumgebung der Entleiher. "Teufelshof Basel" ist ein auf ähnlich sorgfältige Weise gestaltetes Künstlerplakat der Gruppe. Im gleichnamigen Hotel hatte ABR ein Zimmer gestaltet. Johannes Stahl 11/93 |