Das über ein Jahr währende Projekt Kunst ___ Sachsen-Anhalt hat ein Ergebnis:
Es geht in die Verlängerte Frohe Zukunft. Vom 21. März bis 18. Mai 1999 findet in Halle eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst mit ortsbezogenen
Installationen statt. Der Titel leitet sich vom Straßennamen einer in den zwanziger Jahren gebauten Siedlung her und spannt einen Rahmen um die vielfältigen
künstlerischen Positionen der Ausstellung. Ausgehend von Entwicklungen der Moritzburg und des kulturellen Umfelds in Sachsen-Anhalt kommen die Arbeiten zu
grundsätzlichen Aussagen über Ort und Zeit. Und dabei sieht sie gar nicht so schlecht aus, die verlängerte frohe Zukunft.
In einer intensiven Vorbereitungsphase mit dem Kuratorenteam (Cornelia Wieg, Joachim Penzel und Dr. Johannes Stahl) haben die Beteiligten zunächst verschiedene
Entwürfe angefertigt und schließlich komplexe Arbeiten mit unterschiedlichen Medien, meist Rauminstallationen ausgeführt. Kritische und wache künstlerische
Positionen differenzieren bekannte Bilder der Vergangenheit, der aktuellen Entwicklung und Zukunft Sachsen-Anhalts.
Der Weg zur Ausstellung
Seit einiger Zeit ist das Projekt Kunst ____ Sachsen-Anhalt in Planung. Es reagiert auf eine Situation, die von einschneidenden Änderungen während der
letzten Dekade geprägt ist. Zwei "Landeskunstschauen" 1991 und 1994 haben zwar einen repräsentativen Einblick in die derzeitige Produktion gewährt, aber
keine entscheidenden Impulse für die Zukunft gegeben. Gerade das ist aber angesichts der Öffnung und weltweiten Vernetzung der Kunstproduktion dringend geboten.
Sachsen-Anhalt verfügt über eine recht eigenständige Entwicklung: die starke Betonung von handwerklicher Kunst hat hier ihren Grund in der Ausrichtung und
Wirkung der Hochschule für Kunst und Design - Burg Giebichenstein. Hier treten stärker als anderswo in der ehemaligen DDR die Unterschiede zu westdeutschen
Regionen zutage, besonders was die Vermittlungsstrukturen und das konzeptuelle Herangehen betrifft. Ein mitunter schmerzlicher Prozess der Angleichung ist im Gange, zumal
in Sachsen-Anhalt Kunstausstellungen überregionalen Zuschnitts selten sind.
Im kulturpolitischen Sinne bildet sich eine umfassende Identität dieses Landes gerade erst aus - und ist somit offen und entwicklungsfähig. Das Projekt
Kunst ____ Sachsen-Anhalt wird an dieser Identität mitwirken - sie nach außen transportieren und damit sowohl wesentliche Entwicklungsarbeit am sowie
Werbung für das Kunstland Sachsen-Anhalt leisten.
Über TING zur Ausstellung
Innerhalb des Gesamtprojekts Kunst ____ Sachsen-Anhalt kam der vorbereitenden Veranstaltungsreihe TING die Aufgabe zu, neben der klassischen
Ausstellung auch neue und andersartige Möglichkeiten der Kunstvermittlung zu sondieren. Das hieß, Kontakte zwischen Institutionen, Vereinen und Personen
herzustellen und zugleich neue Partner für zeitgenössische Kunst zu finden. Innerhalb der fünf Veranstaltungsblöcke haben verschiedene Elemente
eine tragende Rolle gespielt:
Das Grundthema der künstlerischen Lehre und Gestaltung, das Zusammenspiel zwischen betrachtendem "Kopf" und schöpferischer "Hand", war Gegenstand
eines zweitägigen Symposiums an der Hochschule für Kunst und Design Halle Burg Giebichenstein. An unterschiedlichen Orten im Stadtraum Halles testeten
Aktionen der Agentur WeheWehe, wie Kunst in einer Öffentlichkeit erscheinen kann, die andere Ziele verfolgt als Kunstbetrachtung. Im Kaufhaus Karstadt thematisierte
die Ausstellung "Unverkäufliches Muster" das Wechselverhältnis von angewandter und freier Kunst und probte zugleich neue Vermittlungsformen. Der (auratischen)
Wirkung von Sakralräumen und Kunst ging eine Diskussionsreihe in fünf halleschen Kirchen nach. Unter dem Titel "Spiegel der Heimat" ergründete ein Seminar
für Studierende der Kunstgeschichte an der Martin-Luther-Universität Halle, inwieweit Kunstdenkmale der Region einem beständigen Prozeß der
Neuinterpretation und instrumentellen Vereinnahmung unterliegen. Diese ausschlaggebenden Erfahrungen von TING münden unmittelbar in die Vorbereitung der
Ausstellung.
Einige Überlegungen, die zum Ausstellungsort führen
Mit gutem Grund wird die Ausstellung ihren Schwerpunkt in der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle haben. Seit 1996 ist sie das Landeskunstmuseum von Sachsen-Anhalt.
Neben dieser strukturellen Bestimmung konzentriert sie wie kein zweiter Ort im Lande die Geschichte und das Nachdenken über Kunst und Kunstvermittlung. Zudem
befindet sie sich in einer Umbruchphase vom richtungsweisenden DDR-Kulturzentrum zur fast ausschließlichen Nutzung als Präsentationsort bildender Kunst.
Dieser geschichtliche Wandel ist am Gebäude und der Inszenierung deutlich ablesbar, stellt aber auch ein gewisses Problem dar. Hier setzt die Ausstellung an:
KünstlerInnen wurden angesprochen, die prozessual vorgehen und den direkten Bezug zu Raum, Architektur und Geschichte suchen.
Beteiligte Künstlerinnen und Künstler
Ulf Aminde, Johanna Bartl, Anne Rose Bekker, Martin Braun, Ludwig Ehrler, Andreas Freyer, Fred Fröhlich, Grita Götze, Moritz Götze, Jens Gussek,
Ingrid Haufe, Georg Herold, Imi Knoebel, Wieland Krause, Coco Kühn, Hans-Wulf Kunze, Thomas Leu, Andreas Löschner-Gornau, Ute Lohse, Olaf Martens,
Norbert Meissner, Otto Möhwald, Olaf Nicolai, Erich Reusch, Judith Runge, Dagmar Schmidt, Dagmar Varady-Prinich, Klaus Völker, Olaf Wegewitz.
Grundsätze der Ausstellung
Die Ausstellung Verlängerte Frohe Zukunft basiert auf einigen Grundsätzen, die einen gedanklichen Rahmen für das Gesamtkonzept bilden.
Der Bezug zum Ort
Die Entwürfe der einzelnen künstlerischen Arbeiten setzen zum Großteil bei einem Nachdenken über ihren jeweiligen Ausstellungsort an. Die
vorgefundenen Räume in der Moritzburg, Halles Stadtraum und einzelne Punkte in der Region sind durch Architektur geprägt, durch die Geschichte definiert und
somit oft thematisch stark besetzt. Dazu tritt als weiterer Faktor eine aktuelle Nutzung. Ortsbezogene Kunst zieht aus den vorgefundenen Bedingungen formale und inhaltliche
Konsequenzen. Deshalb stellen der Ort und die künstlerische Arbeit jeweils einen konzeptionellen Zusammenhang her.
Die Diskussion eines Kunstbegriffs zwischen angewandten und freien Künsten
Das Bauhaus in Dessau und die Kunsthandwerksschule in Halle (Burg Giebichenstein) erlangten in den 20er Jahren besondere Bedeutung: angewandte und freie Künste
wurden als zusammengehörig verstanden. Jenseits der akademischen Ausbildung war diese Einheit in der folgenden Zeit jedoch selten gewährleistet. Die Besinnung
auf eine spezielle lokale Tradition der klassischen Avantgarde kann unter den heutigen gesellschaftlichen Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Kunst der
gegenwärtigen Künstlergeneration neue Impulse verleihen. In existentieller Hinsicht verkörpern die meisten KünstlerInnen ohnehin eine Personalunion von
gestalterischer Dienstleistung und individueller Kunstproduktion. Wenn beide Bereiche zusammenfallen, können im glücklichen Fall neue Arbeitsbereiche erschlossen
werden, wie zahlreiche "Kunst am Bau"-Projekte in der Region zeigen.
Die Einwirkung neuer Medien in einen bestehenden Kanon der Kunst
Die unterschiedlichen Herangehensweisen ortsbezogen arbeitender KünstlerInnen verdeutlichen unmißverständlich, daß bei Entwurf, Planung und
Ausführung das handwerkliche Selbstverständnis (Malerei, Grafik, Fotografie, Bildhauerei) nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Die entscheidenden Impulse
verleiht der jeweils räumliche oder thematische Zusammenhang. Im Alltag einer Medienwelt ist der Einsatz von Video, Film und Computersimulationen in der Kunst
mittlerweile selbstverständlich.
Das selbstreflexive Prinzip der künstlerischen Inszenierung
Ortsbezogene Kunst kennzeichnet, daß sie die vorgefundenen Räume in formaler, geschichtlicher, sozialer oder funktionaler Hinsicht reflektiert. Dieser
Arbeitsweise sind daher ideologiekritische, bezüglich des Museums auch institutionskritische Aspekte eigen. Weil diese intensive gedankliche Auseinandersetzung mit den
räumlichen Voraussetzungen unmittelbarer Bestandteil der entstehenden ortsbezogenen Installationen ist, schließt sich eine nachträgliche und vereinheitlichende
Inszenierung der Ausstellung aus. Deshalb ist das Nebeneinander unterschiedlicher Gestaltungen und Sichtweisen charakteristisch für die
Verlängerte Frohe Zukunft. Es prägt damit auch vorübergehend das disparate Erscheinungsbild des Museums in der Moritzburg.
Einen White Cube für die Moritzburg
Die Idee, innerhalb der historischen Architektur der Moritzburg einen temporären Container aufzustellen, entstand aus den praktischen Anforderungen eines
Ausstellungsprojekts für zeitgenössische Kunst. Der Container verkörpert einen Raumtypus, den es in der spätmittelalterlichen Festung nicht gibt, der aber
für die Museumsarbeit heute eine grundsätzliche Voraussetzung ist: den White Cube. Die historischen Räume der Moritzburg, des heutigen Landeskunstmuseums,
sind sehr verwinkelt und liefern damit eine strukturelle Komplexität, an der sich Ausstellungen regelmäßig reiben. Ein temporärer Container soll dieser
Raumproblematik nicht nur eine vorübergehende Alternative entgegensetzen, sondern ein grundsätzliches Problem thematisieren: das Verhältnis zwischen
historischen Räumen und zeitgenössischen Präsentationsanforderungen von Kunst. Diese Maßnahme kann der Diskussion um die architektonische
Umgestaltung der Moritzburg neue Impulse geben.
"Verlängerte Frohe Zukunft" auf einen Blick
Veranstalter |
Land Sachsen-Anhalt |
Kuratoren |
Dr. Johannes Stahl (Köln/Halle) Cornelia Wieg (Halle) |
Öffentlichkeitsarbeit |
Joachim Penzel (Halle) |
Ort |
Staatliche Galerie Moritzburg Halle, Landeskunstmuseum Sachsen-Anhalt |
Termin |
21. März bis 18. Mai 1999 |
Öffnungszeiten |
Dienstag 11 bis 20.30 Uhr Mittwoch bis Sonntag und an Feiertagen 10 bis 18 Uhr |
Eintritt |
8 DM, ermäßigt 5 DM |
Kontakt |
Kunst ____ Sachsen-Anhalt C/o Staatliche Galerie Moritzburg Halle Friedemann-Bach-Platz 5, 06108 Halle / Saale Tel. 0345/2002116, Fax 0345/20029990 E-Mail: js@kunst-sachsenanhalt.de |
Projekthomepage |
http://www.kunst-sachsenanhalt.de |
Finanzierung |
Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt Kulturamt der Stadt Halle Kulturfonds Berlin Ostdeutsche Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Stadt- und Saalkreissparkasse Halle |
Unterstützung einzelner Projekte |
CINEMAXX in Sachsen-Anhalt DSR-Außenwerbung GmbH Hastra AG MSC Technik ODB Halle Karsten Schmitz, München Sowie die Zeitschriften PARK, Texte zur Kunst, VOGUE |
Künstlerheft |
Eine 36 Seiten umfassende Broschüre mit farbigen Abbildungen; hier stellen die beteiligten KünstlerInnen auf jeweils einer Seite sich und ihre geplanten Projekte vor; erscheint im März 1999 |
Katalog (geplant) |
ca. 160 Seiten, farbigen Abbildungen, hält die realisierten Arbeiten fest, erscheint erst während der Ausstellung, Aufsatzsammlung zum Kunststandort Sachsen-Anhalt, monographische Texte zu den Projekten |
TING-Dokumentation |
ca. 80 Seiten umfassende Broschüre mit schwarz-weiß-Abb.; erscheint im März 1999; dokumentiert die Veranstaltungen der Projektreihe TING |
Pressekonferenz |
Donnerstag 18. März 1999, 11 Uhr in der Staatlichen Galerie Moritzburg, im Anschluß eine Führung durch die Ausstellung |
Veranstaltungen |
21. März 15 Uhr, Eröffnung durch Herrn Dr. Gerd Harms, Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt, Grußwort Dr. Katja Schneider, amtierende Direktorin der Staatlichen Galerie Moritzburg, anschließend Ein-Führungen (C. Wieg, J. Penzel, Dr. J. Stahl) und Eröffnungsfest 21. März 18 Uhr, Lichtprojektion von Dagmar Varady-Prinich im Innenhof der Moritzburg 30. März 19.30 Uhr, "Zeitgenössische Kunst und ihre Institutionen". Ein Gespräch zum Kulturraum Halle/Leipzig mit Dr. Klaus Werner, Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig und Gästen aus Halle 20. April 19.30 Uhr, "Alle Tassen!" Anmerkungen zur Kulturgeschichte der Tasse. Rita Gründig, Staatliche Galerie Moritzburg Halle 22. April 19.00 Uhr, Der Förderkreis lädt ein: BILD-IM-BISS. Eine Einladung nicht nur für Freunde von Junk-Food mit Blick in den Qulturwelkspiegel und in Anwesenheit des Künstlers Klaus Völker in den Sauerland-Imbiss 27. April 19.30 Uhr, "Standortdesign". Ein Gespräch mit Dr. Johannes Stahl und Dr. Gerd Harms, Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt 16. Mai 18 Uhr, "Über einige Hebel der Kritik", Matthias Flügge, Herausgeber der Zeitschrift "neue bildende kunst" 18. Mai anläßlich des internationalen Museumstags wird das "Sonnenblumenfeld" von Ludwig Ehrler gemeinsam mit Besuchern aufgelöst 18. Mai 16 Uhr, "Alle Tassen!" Anmerkungen zur Kulturgeschichte der Tasse. Rita Gründig, Staatliche Galerie Moritzburg Halle, danach "Großer Café-Klatsch" unter dem Motto "Jedem eine persönliche Tasse" mit Ute Brade, Künstlerin 18. Mai 18 Uhr, Aus-Führungen (C. Wieg, Dr. J. Stahl, J. Penzel) 18. Mai 20 Uhr, Lesung von Detlef Opitz: Klio. Annotate zur Moritzburg |
Führungen |
23. März 18 Uhr, Installation als Kunstform 11. April 15 Uhr, Raumerlebnis/Raumverständnis 20. April 18 Uhr, Raumerlebnis/Raumverständnis 4. Mai 19 Uhr, Verlängerte Frohe Zukunft in der Dämmerung 16. Mai 15 Uhr, Installation als Kunstform weitere Führungen nach Vereinbarung |
Familienveranstaltung |
28. März 15 Uhr, Die ganze Familie 30. März 14 Uhr, Nicht nur für Senioren 13. April 12.30 Uhr, Kunst in der Mittagspause 13. April 14 Uhr, Nicht nur für Senioren |
Außerdem: |
für Schulklassen projektbezogene Sonderveranstaltungen nach Vereinbarung (Kontakt: Frau Reiche, Tel. 0345/2812010) |