Daniel
Buren
Wie wird
ein Ort zu einem Ort für Kunst? Wie ändert ein Betrachter die Kunst?
Ändert die Kunst den Betrachter? Was sieht er wirklich, was nimmt er
wahr, was nicht? Welche Rolle übernimmt dabei der Künstler, welche sollte
er auf gar keinen Fall übernehmen?
Seit den
sechziger Jahren sind diese Fragestellungen immer wieder viel diskutiert
worden. Begriffe wie Op-Art, Konzeptkunst und Realkunst markieren immer
wieder das Feld, innerhalb dessen die künstlerischen Lösungen eine unendliche
Diskussion auf neue Details lenkt, und der jeweilige kulturgeschichtliche
Hintergrund der seither vergangenen Jahre ist auch durchaus keine feststehende
Einheit, sondern hat sich ebenfalls - mitunter stark - bewegt.
Mit seinen in der Regel vor Ort (lateinisch "in situ") realisierten
Arbeiten hat der französiche Künstler Daniel Buren seit einem guten
Vierteljahrhundert diesen Fragenkomplex erweitert und bereichert. Sein
Werk ist vielgesichtig: es reicht von den gestalterischen Maßnahmen
vor Ort, die er oft auch "travail in situ" nennt, über eine nicht gerade
große Reihe von grafischen Arbeiten auf Papier bis hin zu einem umfangreichen
theoretischen Werk.
Dabei sind
die Elemente seiner Arbeit sehr gleichförmig. Mit farbigen Streifen
von 8,7 cm Breite überzieht er Wände, Textilien und Orte. Spiegelelemente
verstärken diese einfachen und berechenbaren Maßnahmen. Aufgrund solcher
Erkennungszeichen sind diese Eingriffe rasch als seine Arbeit wiedererkennbar.
Was er jedoch aus der jeweils vorgefundenen Situation entstehen läßt,
ist ausgesprochen vielgestaltig. Zwei verschiedene Arbeiten, in Münster
realisiert, machen diese diese streng an den örtlichen Voraussetzungen
ansetzende Kunst Burens anschaulich. Aus textilen Streifen enstandene
Tore markieren 1987 im Stadtraum innerstädtische Grenzen, wie sie während
eines religiös motivierten Bürgerkriegs vergangener Tage zeitweilig
existierten. 1992 versetzt er mit einer großen spiegelnden Fläche auf
dem Boden sowie Streifen in Bogenöffnungen den Innenhof des Westfälischen
Landesmuseums in einen eigentümlich unarchitektonisch gewordenen Zustand.
Die Artothek
im Bonner Kunstverein verfügt über zwei grafische Arbeiten Burens. Ein
Foto, das einen Durchblick durch zwei Räume
einer Installation in einem Inneraum wiedergibt, rahmt er mit einem
Passepartout, das seine bekannten Streifen enthält. Der klassischerweise
schützenden und Distanz schaffenden Funktion dieses inneren Rahmens
verleiht Buren eine völlig entgegengesetzte Bedeutungskomponente: der
Streifen des Passepartouts ist real, das Foto bildet Gewesenes ab.
Ein vom Künstler
gestaltetes Plakat für das Moderna Museet in Stockholm
setzt typografisch streng ein Quadrat aus Buchstaben vor einen flächigen
Hintergrund aus Rosen. Die werbende Funktion des auf seine Ausstellung
hinweisenden Plakats und die formal bestimmte Gestaltung des Buchstabenblocks
mit den Informationen zur Ausstellung läßt er in eine spannungsvolle
Zwiesprache treten.
Johannes Stahl 8/96
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