Inge Broska

Eat-Art, Prägedrucke, Installationen, Autostauaktionen, Museums-Pädagogik, Pflanzentorten, documentationen - das mit dieser Aufzählung noch nicht abgeschlossene Spektrum der Aktivitäten von Inge Broska ist geprägt von einem umfassenden künstlerischen Ansatz. Diese für den heutigen Kunstbetrieb unübliche, weil meist wenig lukrative, Denkweise hat verschiedene Wurzeln. Zum einen geht sie zurück auf ein politisches Bewußtsein, das gesellschaftliche, moralische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Belange als Zusammenhang versteht und daraus die Notwendigkeit von Aktionen folgert - wie sie beispielsweise von ökologischen Gruppen durchgeführt werden. Zum anderen steht diese Denkweise in der Tradition von zahlreichen Ansätzen, die die Grenzen einer allzu fest umrissenen Kunstauffassung zu sprengen suchten und deren prominentester Verfechter Joseph Beuys gewesen ist. Solche Bestrebungen verfolgten nicht nur das Ziel, ihre erweiterten Auffassungen von Kunst als neue Tendenz in die Diskussion zu werfen, sondern befragen mitunter die in der Vergangenheit angestammte kultische Rolle von Kunst auf neue und zeitgemäße Inhalte hin.

Inge Broskas Kunst entwickelt sich daher nicht in erster Linie aus Formproblemen, sondern aus gesellschaftlichen Ansätzen. Ein Arbeitsfeld steht besonders zur Diskussion: der feministische Umgang mit Nahrung und Tod. Eat-Art - das Nutzbarmachen von Nahrung für künstlerische Aussagen hat eine Geschichte, die ebenso weit zurück reicht, wie unklar umrissen bleibt. Wie bewußt der Zusammenhang zwischen Nahrung und Kunst in so unterschiedlichen Bereichen wie Darstellungen des Abendmahls, Früchtestilleben oder den sozial gemeinten Darstellungen von pausierenden Arbeitern auch immer sein mag, die Arbeiten von Ingeborg Broska zwingen zu einer unmittelbaren Auseinandersetzung damit. Nahrung betrachtet und bearbeitet sie gleichermaßen als lebensspendenden Rohstoff, wie als zu reflektierende Form; das moralisches Problem, wo es beispielsweise um das Halten und Töten von Tieren geht, spielt ebenso eine Rolle, wie in die Form, in der Mahlzeiten eingenommen werden und wie dieses tägliche Ritual in das soziale Verhalten von Menschen verwoben ist.

Mit diesem Problemfeld steht die Rolle von Frauen in engem Zusammenhang. Nicht nur der klassische Arbeitstag der Hausfrau beinhaltet das ästhetische Arrangement von Nahrung, sondern auch manche kulturelle Überhöhung der Frauenrolle (beispielsweise die lebens- und nahrungspendende Mutter Erde) knüpft an das Thema Nahrung an. Inge Broska nähert sich diesen Problemfeldern in einzelnen Projekten, die jeweils eine oft ironisch gestimmte Form mit traditionellen Umgangsweisen konfrontiert und dabei je nach Projekt meist provokative Noten setzt, mitunter aber auch stille Überlegungen beim Betrachter hervorruft.

Die Artothek im Bonner Kunstverein besitzt mit dem Prägedruck "Jüngstes Gericht" eine für Inge Broskas Themenstellungen, wie auch deren künstlerische Umsetzungsweisen, charakteristische Arbeit. In hochrechteckigem Format vereinen sich zahreiche Gegenstände aus dem Nahrungsalltag oder der Architektur mit elementaren Formen zu einer Art Hamburger-Turm - einer Ikone gerade jenes Nahrungsmittels, das das schnellste und unbewußteste Essen mit sich bringt. Der Titel "Jüngstes Gericht" reizt bewußt den Kontrast aus zwischen Religion, Eßmoden und dem Frischekult, der Denk- und Konsumgewohnheiten unserer Tage prägt.

Johannes Stahl, 10/92

 

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