Joseph Beuys Plakate Über kaum einen zeitgenössischen Künstler gehen die Meinungen derart auseinander wie über Joseph Beuys. Während er für die einen unverständliches, abgehobenes Künstlertum verkörpert, hat er nach Meinung anderer die wichtigsten Beiträge überhaupt zur Kunst des 20. Jahrhunderts geliefert. Wieder andere - wie zum Beispiel Richard von Weizsäcker in seiner Antrittsrede als Bundespräsident - betonen seine vorbildliche Vermittlung von künstlerischen wie politischen Anliegen. Beuys wußte sehr genau, wie umstritten seine Kunst wie auch seine Person waren. Daher legte er größten Wert auf die Art und Weise, wie beides in Erscheinung trat. Für seine Performances und Aktionen wie beispielsweise das Ausfegen der Düsseldorfer Kunstakademie oder Bühnenauftritte in Fluxuskonzerten galt das ebenso wie für seine häufigen Vorträge oder politischen Engagements. Geduldiges Zuhören und Erklären gehörten ebenso zu seiner Kunst wie Überraschungseffekte oder auch provokative Noten. Gleichzeitig brachte er in jede seiner Aktionen die eigene Person voll ein. Die wohl eher mythischen Umstände, unter denen der im II. Weltkrieg abgestürzte Pilot Beuys von Krimtartaren gesundgepflegt wurde, begleiteten seine Kunst. Kultische Handlungen fanden damit ebenso Eingang in seine Kunst wie die Materialien Filz und Fett, mit denen das Naturvolk den Verunglückten behandelte. Seine umfassende Ausbildung als Schüler des Bildhauers Ewald Mataré führte ihn immer wieder zu Fragestellungen, in denen die Begriffe Körper, Raum und Material entscheidende Elemente waren. Und nicht zuletzt seine intensive Beschäftigung mit der Antroposophie Rudolf Steiners bildet den Hintergrund Beuys´ zentralen Anliegens, Kunst, Politik, Ausbildung und Leben in einem umfassenden künstlerischen Entwurf zusammenzubringen. Angesichts einer solchen engen Beziehung von Person und Werk mußte er besonderen Wert legen auf die stimmige Gestaltung von allem, was mit ihm oder seiner Kunst zu tun hatte. Dazu gehören selbstverständlich auch die Plakate, mit denen Ausstellungen und Aktionen, aber auch Manifeste und Ideen von Beuys bekannt gemacht werden sollten. Sehr häufig - und das unterscheidet ihn von anderen Künstlern - tritt er dabei selbst in Erscheinung. Ob er dabei in idyllischer Atmosphäre mit wichtigen Personen zu verhandeln scheint oder ob er sich bei einer seiner Ausfege-Aktionen zeigt: im Zentrum steht die handelnde Person Beuys, die mit ihrem Engagement die gesamte Tragweite ausloten möchte, die künstlerisches Tun haben kann. Dieser so konzentriert auf das für ihn wesentliche gerichteten Haltung entspricht auch die Verwendung von Schrift, die ja für Plakate eine notwendige Vorgabe ist. Beuys benutzt klare, in der Form einfache Informationen und dementsprechend einfache Buchstabentypen, zum Beispiel die Schreibmaschine, wo es um ein Manifest geht. Seine Signatur tritt sehr häufig mitten im Bild auf und scheint die dagestellte Aktion oft noch einmal zu bekräftigen, wie eine künstlerische Inbesitznahme der gesamten Wirklichkeit für das Ziel einer bewußteren Weltsicht. Johannes Stahl, 7/92 |