Kunst ___ Sachsen-Anhalt

Verlängerte Frohe Zukunft

Information

Ideen

TING
Raum Aura Kult
Unverkäufliches Muster
Tagesakt und Laster der Nacht
Hand  Kopf
Spiegel der Heimat

Förderung

Kontakt

Überschrift Spiegel der Heimat

Das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig Volkerschlachtdenkmal

Von weitem unübersehbar und aus der Nähe überwältigend: Das Völkerschlachtdenkmal steht an der Stelle, wo Napoleon am 18. Oktober 1813 den Befehl zum Rückzug gab.

Vergebens wird der Besucher die Dimensionen dieses größten europäischen Denkmalbauwerks zu erfassen suchen. Einst erbaut als sogenannter "Vaterländischer Tempel", Sinnbild verlorenen Ruhms und Zeichen riesiger Opfer, die man glaubte der Nation gebracht zu haben, erfuhr es in den vergangenen 85 Jahren seit seiner Errichtung zahlreiche Bedeutungswandlungen.

War das Völkerschlachtdenkmal in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg Symbol deutscher Tugenden und nationaler Einheit, so wurde es während des Nationalsozialismus als Sinnbild deutscher Überlegenheit und Unbesiegbarkeit verherrlicht. Gleichzeitig versuchte man die neuen Ideale zu legitimieren und rechtfertigte die Unterdrückung und Ausbeutung anderer Nationen. Mit der sich abzeichnenden Niederlage wurden Forderungen nach äußersten Kraftanstrengungen gemäß dem Vorbild von 1813 immer lauter, die in der Mobilisierung von Frauen, Kindern und Greisen im Rahmen des Volkssturmes gipfelten.

Die Jahre zwischen 1945 und 1952 waren noch von einer gewissen Unsicherheit im Umgang mit dem Nationaldenkmal geprägt. Doch mit Zunahme der Kontroversen der beiden deutschen Staaten wandelt sich diese Unsicherheit in Gewißheit, daß allein die DDR mit ihrer Gründung als Arbeiter- und Bauernstaat die unerfüllten Hoffnungen der Kämpfer von 1813 verwirklichen konnte. Das Denkmal galt mehr und mehr als Sinnbild des wehrhaften Volkes, das den Weg des gesellschaftlichen Fortschritts eingeschlagen hatte. Es wurden geeignete Ereignisse der deutschen Geschichte herangezogen, um ein nationales Geschichtsbild der Arbeiterklasse aufbauen zu können.

Und was fangen wir heute mit einem solchen Denkmal an?

Unumstritten zählt das Völkerschlachtdenkmal zu den Wahrzeichen der Stadt Leipzig und ist heute ein attraktives Ausflugsziel, nicht zuletzt wegen des reizvollen Rundblicks von der Aussichtsplattform in 91 Metern Höhe. Das Denkmal ist zum Schauplatz für Veranstaltungen unterschiedlichster Art geworden. Ein eigens für die speziellen Halleffekte im Innenraum trainierter Chor konzertiert regelmäßig mit klassischem Gesang. Der spielerische Umgang mit dem Koloß kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die dem Bauwerk zugrunde- liegenden Ideen zunehmend in Vergessenheit geraten oder aber bewußt auf nationalistisches Gedankengut reduziert werden. (Zuletzt versammelte sich hier am 1. Mai dieses Jahres die NPD.)

Die Aufgabe von Nationaldenkmälern ist es, die nachfolgenden Generationen an Traditionen, Ereignisse und Persönlichkeiten der Vergangenheit zu erinnern. Darüber hinaus spielen sie meines Erachtens eine wichtige Rolle für die Erziehung zu Toleranz gegenüber anderen Nationen sowie für die Förderung des Geschichtsbewußtseins.

Es ist unumstritten, daß die politischen Kräfte eines Landes Denkmäler dieser Art immer für ihre Zwecke nutzen werden, um an Einigkeit, Stärke und Nationalstolz zu appellieren und ihre Politik zu rechtfertigen. Aus diesem Grund ist ein Mißbrauch der ursprünglichen Ideale, die ein solches Denkmal verkörpern soll, kaum zu verhindern. Doch es ist möglich, Denkmäler, wie das Völkerschlachtdenkmal oder auch das Kyffhäuserdenkmal, als Zeitzeugen deutscher Geschichte zu sehen und sich auf deren Grundgedanken zu besinnen, ohne durch ein übersteigertes Nationalbewußtsein Ansprüche auf die Weltherrschaft zu stellen und somit die Souveränität im Umgang mit der eigenen Geschichte zu beweisen. Denn gerade das sollten wir aus der Geschichte gelernt haben: alle Versuche in diese Richtung sind gescheitert.

Gegenwärtig plant das Stadtgeschichtliche Museum, zu dem das Denkmal gehört, sich mit Institutionen anderer europäischer Länder zu einem Verbund von Nationaldenkmälern zusammenzuschließen, der die jeweilige Geschichte würdigen und zugleich den Nationalismus überwinden helfen will. Gleichzeitig wurde der Vorschlag unterbreitet das Denkmal in ein "europäisches Friedenszeichen" umzuwidmen.

Damit würde meiner Meinung nach der Intention zur Errichtung dieses Denkmalbaus gebührend Rechnung getragen werden. Doch die Umbennenung sollte auf keinen Fall dazu dienen, den Erhalt des Denkmals zu legitimieren. Dies würde wieder einmal zeigen, wie Politik als Mittel zum Zweck eingesetzt werden kann. Natürlich hat das Völkerschlachtdenkmal eine politische Geschichte. Doch diese darf bei aller Euphorie im Zuge der Einigung Europas nicht ignoriert werden.

Es bleibt die Frage, inwieweit wir heute in der Lage sind, unser Traditionsbewußtsein mit der Verantwortung im Umgang mit dieser Art von (Kunst-)Denkmälern in Einklang zu bringen.

Sabine Kramer

zum Seitenanfang Zum Seitenanfang