Interaktive Kunst |
Proseminar
Dr. Johannes Stahl
Kunsthistorisches Institut Uni Bonn WS 2003/04 |
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Definitionen und Positionen
Man könnte sagen, einen Begriff verstehen heißt seinen Gebrauch verstehen.
Ludwig
von Wittgenstein: Schriften 7, hrg. v. Cora Diamond. Frankfurt/M 1978, Wittgensteins
Vorlesungen über die Grundlagen der Mathematik;
Cambridge, 1939, nach den Aufzeichnungen von R.G.Bosanquet, Norman Malcolm,
Rush Rhees und Yorick Smythies, S.19.
Polyklet schuf zwei Skulpturen zum selben Thema, wobei er die eine nach den Regeln seiner Kunst und die andere dem Geschmack der Menge entsprechend gestaltete. Denn nach dem Wunsch eines jeden, der vorbeikam, änderte er etwas und arbeitete das Werk um, jedem Hinweis folgend. Dann stellte er die beiden Werke aus; die eine Statute wurde von allen gelobt, die andere ausgelacht. Daraufhin sagte Polyklet: "Die Skulptur, die ihr kritisiert, habt ihr selbst erschaffen, wogegen die, die ihr bewundert, von mir stammt."
Lukian: quom. hist. conscr., 62.Zit.n. Krems, Eva-Bettina: Der Fleck auf der Venus. 500 Künstleranekdoten von Apelles bis Picasso. München 2003, S. 142.
Ihr
sollt mich nicht durch Widerspruch verwirren.
Sobald man spricht, beginnt man schon zu irren.
J.W.Goethe: Spruch, Widerspruch. In ders. Gedichte. Leipzig (Reclam) 1898, S. 119.
... etwa wie
der Kustos einer Sammlung. Man erfährt manches, wenn man ihn ruft; wenn
man es aber versteht, ohne ihn auszukommen, ist man mehr allein und ungestört
und erfährt noch mehr.
Rainer Maria Rilke: Auguste Rodin. Berlin 1907, S. 42
Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, d.h., er würde es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen. Der Rundfunk müßte demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren.
Bertolt
Brecht: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion
des Rundfunks.
In ders.: Werke, Berlin/Frankfurt/M 1992, Bd. 21, S. 553.
Und
das bringt mich dazu zu sagen, daß ein Werk v o l l s t ä
n d i g von denjenigen gemacht wird, die es betrachten oder es lesen
und die es, durch ihren Beifall oder sogar durch ihre Verwerfung, überdauern
lassen.
Marcel Duchamp (1956) zit. n. Daniels, Dieter: Duchamp und die anderen. Köln 1992; Frontispiz.
Das
Erbe der Renaissance.
Der Fluchtpunkt = Selbstauslöschung.
Der distanzierte Betrachter.
Keine Beteiligung!
Der Betrachter von Renaissance-Kunst wird systematisch außerhalb des Erelebnisrahmens
gestellt. Eine Piazza für alles, und alles an seiner Piazza.
Das instantene Werk elektrischer Informationsmedien beteiligt uns alle, und
zwar alle zugleich. Keine Distanzierung, kein Rahmen ist möglich.
Marshall Mc Luhan / Quentin Fiore. Das Medium ist Massage (1967). Frankfurt/M 1967, o.S.
Die
Geschichte der Musik (als Praxis, nicht als "Kunst") weist übrigens
einige Parallelen zu der des Textes auf: es gab eine Zeit, da die aktiven Musikliebhaber
sehr zahlreich waren (zumindest in einer bestimmten Klasse), "spielen"
und "hören" waren Teil einer einzigen, weitgehend undifferenzierten
Handlung. Später bildeten sich dann zwei verschiedene Rollen aus: die des
Interpreten (...); dann die des (passiven) Liebhabers, der Musik hört,
ohne selbst spielen zu können (...).
Roland Barthes: Vom Werk zum Text. In: In: KUNST//THEORIE im 20. Jahrhundert, Hg.v. Ch. Harrison und P. Wood; Ostfildern 2003, S. 1166
"Wichtig
sind nicht die Objekte, sondern das, was man damit tut, was damit und dadurch
möglich ist. Wir, die Benutzer, haben es zu leisten. UNSERE Fähigkeiten
(und Unfähigkeiten) zählen, unsere Bewegung."
Franz Erhard Walther: Statement (1968). In: KUNST//THEORIE im 20. Jahrhundert, Hg.v. Ch. Harrison und P. Wood; Ostfildern 2003, S. 1087.
John Lennon's widow, YOKO ONO (70) performed her legendary "Cut piece" in Paris last. The artist sat silently on stage as members of the audience cur pieces from her dress. At the end, she was left in her underwear, with one bra strap cut. It was not modesty that prevented her being left naked: after 50 minutes, no one was left in the queue of people to cut her clothes. Ono first performed "Cut piece" in 1964, aged 31, as a protest for world peace.
The art newspaper, No. 140, October 2003, S. 2.