Dr. Johannes Stahl *

Leitfaden zu schriftlichen Ausarbeitungen und Präsentationen

Zum Verfahren
Es hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen, dass Referaten im Seminar eine schriftliche Form vorausgeht. Ein für den mündlichen Teil ausformuliertes Referat hat den Gedankengang bereits in eine schlüssige Abfolge gebracht und ermöglicht es, das dann gegebenenfalls auch in freier Rede so durchzuhalten. Die schriftliche Form kann in einer Konsulation vorab durchgesprochen werden und sichert Referenten und dem Seminar eine optimale Qualität.

Umfang
Ein mündliches Referat soll in der Seminarsitzung ca. 30 Minuten dauern; Abweichungen können sich ergeben und sollten vorab abgesprochen sein. Die schriftliche Ausarbeitung soll ca. 10 Seiten (18000 Zeichen) umfassen.

Argumentation
Mitunter sind Thema und Materie schwierig. Eine komplexe Argumentation kann man mit einer präzisen Gliederung gut vorstrukturieren. Arbeitsfragen sind hierbei auch in den Gliederungsdetails hilfreich: von welchem Befund gehe ich aus, was ergibt sich an Vermutungen, was spricht dafür und dagegen, welches Resümé ziehe ich? Diese Argumentation ist auf inhaltliche Schwerpunkte oder einzelne Leitthemen auszurichten und sollte einer inneren Logik folgen. Bildbeispiele sollten diese Struktur illustrativ und argumentativ nachvollziehbar unterstützen. Eine ausführliche Bibliographie der benutzten oder weiterführenden Literatur dient bei der Vorbesprechung zur weiteren Klärung von Schwerpunkten und als Nachweis der gedanklichen Beschäftigung mit dem Thema. Sämtliche relevante Spezialliteratur ist nach den üblichen Zitierverfahren aufgeführt. Diese Literaturliste hilft auch dem Seminar weiter.

Form der schriftlichen Hausarbeit
Ein Deckblatt infomiert über Titel des Seminars mit Dozent/Dozentin, Semester, Thema, Name, Kontaktdaten, Fachrichtung, Semesterzahl.
Eine Gliederung oder Inhaltsangabe mit Seitenangabe stellt vorab den Verlauf dar.
Eine kurze Einleitung stellt das Thema vor, formuliert die Fragestellung, legt die Vorgehensweise dar und begründet sie und formuliert eine Zielerwartung.
Der Hauptteil (mit möglichst schlüssigen Untergliederungen) stellt einzelne Fragestellungen oder Problembereiche dar und bearbeitet sie.
Ein abschließendes Resümé fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.
Der formale Anhang umfasst Literaturliste, Bildbeispiele (außerhalb des Umfangs der 10 Seiten) und deren detaillierten Nachweis.

Beschreibendes Eingehen auf einzelne Kunstwerke
Bei einzelnen Arbeiten können folgende Fragestellungen relevant sein: die Entstehung des Kunstwerks, und ihr gesellschaftlicher Kontext (z.B. Auftrag), die vorhandenen schriftlichen Quellen, der Entwurfsprozeß, die Wirkungsgeschichte. Hier sollte der Ausgangspunkt eine analytische Beschreibung sein. Versuchen Sie als ersten Schritt eine eigene Beschreibung, lesen Sie dann die Spezialliteratur. Schreiben Sie auf, was Ihnen auffällt und strukturieren sie es: bei der Schriftfassung kann jede scharfe Beobachtung und jeder verwendbare Gedanke hilfreich sein. Überprüfen Sie aber auch die eigene Wahrnehmung, korrigieren Sie eigene Ungenauigkeiten oder freuen Sie sich über das von Ihnen neu Entdeckte. Eine analytische Beschreibung besteht aus einer strukturierten Analyse der kompositorischen, koloristischen, ikonographischen, stilistischen usw. Eigenart des Kunstwerks. Beachten Sie eine innere Logik der Vorgehensweise, denn bloße Aufzählungen des Gesehenen führen oft nicht weiter. Strukturieren Sie es so, dass wichtige Beobachtungen wichtig bleiben. Mit der analytischen Beschreibung verdeutlichen Sie die Fragestellung und legitimieren so ihre Arbeit. Oft ergeben sich daraus auch neue Fragestellungen oder auch schon Argumente für eine Interpretation.

Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, vom Wesentlichen zum Unwesentlichen zu beschreiben, vom Großen ins Kleine, von unten nach oben (bei Bauwerken). Eine Argumentation vom Allgemeinen zum Besonderen liegt nahe, wenn das Allgemeine als Regel exemplifiziert werden soll, dagegen vom Besonderen zum Allgemeinen, wenn sie diese Regel bestätigend ableiten wollen.

Der Schlussteil mit Zusammenfassung, Ergebnis oder Ausblick
Hier sollte die Erwartungshaltung, die in der Einleitung schon aufgebaut wurde, befriedigt werden. Es braucht kein allgemeines Ergebnis am Schluß zu stehen, das auf Kosten ungeklärter Fragen eine glatte Lösung anbietet; es ist oft viel schwieriger und interessanter, die richtigen Fragen zu stellen, die offenen Fragen oder die Interpretationsprobleme gut zu formulieren, denn manches läßt sich nicht auf einen einfachen Nenner bringen.

Literaturlisten stehen zwar am Schluss der Hausarbeit, jedoch am Anfang des eignen Arbeitsprozesses daran. Bibliographieren ist eine grundsätzlich unerläßliche Angelegenheit für jedes wissenschaftliche Arbeiten. Meist kann man Literatur über die jeweiligen Literaturverzeichnisse oder Anmerkungsapparate von Standardbüchern oder Aufsätzen ausfindig machen. Übergreifend lässt sich in Bibliographien und Indizes nach Publikationen zu einem bestimmten Thema fahnden. Auch allgemeine Nachschlagewerke enthalten Hinweise; hier ist die generelle Sichtweise interessant. Grundsätzlich sollte man auf die Erscheinungszeit der Publikationen achten, um möglichst frische Forschungsergebnisse berücksichtigen zu können. Sinngemäß gilt das auch für die Internetrecherche. Gerade für ältere Fragestellungen und Quellen hat es Informationslücken gegenüber der Standardliteratur, und Retrokatalogisierungen und -verschlagwortungen gehen langsam voran. Zudem sind Datenbanken davon abhängig, wie viele Menschen mit welcher Kompetenz am Werk sind. Bibliotheken erfassen oft nur Büchertitel, keine Aufsätze in Sammelbänden oder Zeitschriften. Bewährt hat sich in dieser Hinsicht für die Kunstgeschichte der Verbundkatalog www.kubikat.org. Hier sind auch Aufsätze nach Personen und Schlagworten erfasst. 

Weitere Links für die Literatursuche:
Wichtig ist in jedem Falle, die Titelliste auf ihre Qualität unbedingt selbst zu überprüfen. Googlen erzeugt neben Nützlichem auch viel Überflüssiges oder Veraltetes. Eine zweite Quelle ist hier ein hilfreiches Korrektiv.
Führen Sie dort alle verwendete und für das Thema relevante Literatur auf, auch wenn Sie einzelne Titel vielleicht nicht mit einer Fußnote berücksichtigt haben. Wichtig ist, daß man bei der Titelerfassung formal einheitlich vorgeht und daß Mißverständnisse ausgeschlossen sind.

Zitate
Alle Zitate sind als solche zu kennzeichnen. Zitate im laufenden Text werden in doppelte Anführungszeichen gesetzt. Längere Zitate werden eingerückt. Auslassungen werden durch eckige Klammem mit drei Punkten [...] markiert. Am Anfang und am Ende von Zitaten ergänzen sie einen unvollständigen Satz.

Nachweise
Anmerkungen (Fußnoten): Wenn Sie im Textteil die Meinungen/Aussagen von Autoren aus der Sekundärliteratur wiedergeben, so müssen Sie dies durch einen Beleg der genauen Stelle nachweisen, wo Sie dies gelesen haben, auch wenn Sie ein Argument nur sinngemäß und nicht als direktes Zitat angeben. Bei direkten Zitaten gilt grundsätzlich, daß Sie diese in Anführungszeichen setzen und auch in einer Anmerkung belegen müssen. Beachten Sie, daß der Anmerkungsapparat das notwendige, aber erträgliche Maß behält.
Für Nachweise von Gedanken oder Zitaten in den Fußnoten gilt: Jede Fußnote bildet eine grammatikalische Einheit und beginnt mit einem Großbuchstaben und endet mit einem Punkt. Bei Erstnennung ist der Titel bibliographisch vollständig anzugeben. Für Bücher: Vorname Name, Titel. Untertitel, Verlagsort Jahr. Für Aufsätze: Vorname Name, Titel. Untertitel, in: Zeitschrift, Jahrgang, Jahr, Seitenzahl von/bis. Bei weiteren Zitationen reichen Name, Jahr und Seitenzahl. Wird die gleiche Quelle mehrmals hintereinander verwendet, schriebt man: Ebd. [ = Ebenda], Seitenzahl.
Quellenangaben (zum Beispiel Plinius, Vitruv, Alberti, Vasari etc.) sollte man möglichst direkt anhand einer gängigen Textausgabe überprüfen und nicht lediglich von einem anderen Autor abschreiben. Dadurch läßt sich vermeiden, daß eine eventuelle Sinnverschiebung, die ein Autor aus der eigenen Prämisse heraus vorgenommen hat, sich nicht über mehrere Stationen zu gravierenden Fehlmeinungen steigert.
Manche Informationen aus dem Internet sind nicht problemlos zitierbar, da es dort noch nicht viele Standardwerke oder- quellen und keine allgemeingültige Qualitätssicherung der Authentizität gibt. Dann sollten Sie diese Informationen auf herkömmlichem Weg (das heißt über Bücher) verifizieren.

Die Wissenschaft und das Eigene
Bei aller angestrebten Wissenschaftlichkeit sollten ist eine solche Darstellung immer auch von Ihnen selbst und von Ihren eigenen Überlegungen abhängig. Originalität und eigenes kritisches Denken sowie die Bereitschaft zum intellektuellen Risiko sind daher immer erwünscht. Die wissenschaftliche Form stellt diese Überlegungen in den Zusammenhang anderer Beschäftigungen. Sie sollte im Umgang mit Fakten überprüfbar bleiben und in der Fragestellung und Form der wissenschaftlichen Argumentation plausibel sein. Daher ist ein geschärftes Problembewusstsein für die Objekte der Kunstgeschichte grundlegend. Nur Ihr persönliches Bemühen um Verständnis im Zuge einer zusammenhängenden Darstellung im Referat oder in der Hausarbeit macht oft die Vielfalt der Aspekte und möglichen Fragen bewußt, die ein Thema in sich birgt. Letztlich bringt die Konfrontation zwischen Fragestellungen der Kunst und ihrer reichen Interpretationsgeschichte einerseits und den eigenen Denkprozessen eine auch persönlich wichtige Erfahrung.
Häufig ist das Schreiben wie ein Filter: manches erscheint banal, wenn man mit den Gegenständen sehr vertraut geworden ist; vieles gerät wieder in Zweifel, was vorher absolut klar erschien. Im diesem Fall hilft mitunter ein wenig zeitliche Distanz oder, diese Fragen mit jemand anderem durchzugehen.

Formale Regeln
Eine Hausarbeit ist ein Stück Kultur, die mit Ihrer Person in engster Verbindung steht. Zum Abschluß einer Hausarbeit sollte daher eine kritische Endkorrektur erfolgen. Es wird dringend empfohlen, die Arbeit abschließend im Hinblick auf Orthographie (nach der neuen Rechtschreibung), Kommasetzung, Satzbau, sprachlichen Ausdruck und korrekte bibliographische Nachweise gründlich zu redigieren. Wählen Sie einen mittleren Zeilenabstand und lassen Sie einen genügend breiten Rand an der rechten Seite. Gebrauchen Sie den Duden bei Unsicherheiten oder holen Sie sich bei formalen Fragen Rat ein. So hilfreich es auch ist, kein Schreibprogramm ist hier die perfekte Stütze.
Achten Sie unbedingt auf eine klare syntaktische Untergliederung in der Zeichensetzung. Wo SpieIräume bestehen, sollten Sie die neue Rechtschreibung zugunsten des Textes und des Lesers auslegen. Setzen Sie Ihre Kommata in diesem Sinne immer zwischen Haupt- und Nebensatz, zwischen Hauptsätzen mit unterschiedlichen Satzsubjekten sowie vor und nach Relativsätzen.
Unterscheiden Sie zwischen längeren Gedankenstrichen, die mit je einem Leerzeichen gesetzt werden - wie hier - und kürzeren Bindestrichen ohne Lehrzeichen (zum Beispiel: historisch-kritisch). Leerzeichen werden nach Satzzeichen eingefügt, nicht davor, worauf bei Ausrufezeichen und Fragezeichen zu achten ist (ebensowenig stehen Leerzeichen an der Innenseite von Klammem).
Absätze bilden eine Sinneinheit. Sie dienen der inhaltlichen Gliederung und bestehen aus mehreren Sätzen, die sich zu einem argumentativen Sinn oder zu einer Texteinheit zusammen fügen. Ein einzelner Satz 'bildet normalerweise keinen Absatz, außer bei Aufzählungen - oder dieser Satz hat fast schon Manifestcharakter. Verfallen Sie also nicht den Montagemöglichkeiten der Schreibprogramme.

Stilfragen
Unterscheiden Sie zwischen Vokabular der Umgangssprache und der Schriftsprache. Die (leidige) Tatsache, daß in vielen, mitunter auch seriösen Tageszeitungen und Journalen oft umgangssprachlich verfahren wird, weil das viele Journalisten für »spannender« oder »authentischer« halten, sollte Sie nicht zu schlechtem Deutsch verleiten. Achten Sie auf den stimmigen Gebrauch von indirekter Rede, gebrauchen Sie außerdem den Konjunktiv, wo er Ihnen angebracht erscheint. Bewahren Sie sich und Ihren Leser vor unfreiwilliger Komik. Vermeiden Sie Bürokratismen, zum Beispiel endlose Numerierungen von Unterkapiteln. Nahezu jeder Schreibende hat seine besonderen Marotten, die man noch einmal mit besonderem Augenmerk überprüfen sollte. (Hier ist die Suchfunktion hilfreich!) Generell häufen sich in Referaten vor allem Passivkonstruktionen. (Ein Tip: suchen Sie beispielsweise einmal nach den Worten "werden" und "wird".)

Abschließender Kommentar
Im Studium der Kunstgeschichte sollten folgende Kernkompetenzen erworben werden: Erstens die Fähigkeit, Kunstwerke analysieren zu können; zweitens die Fähigkeit, die Analyse und komplexe Sachverhalte sprachlich (auch formal korrekt) darstellen zu können. Referate haben den Sinn, dass man dabei lernt, ein gestelltes Thema innerhalb einer bestimmten Frist mit einem begrenzten Umfang zu einem festgesetzten Zeitpunkt möglichst aufschlussreich zu erarbeiten und darzustellen. Inhaltlich ist gefordert, Kunstwerke mit einer der Fragestellung adäquaten methodischen Zugangsweise wissenschaftlich zu analysieren. Dabei gilt es, die vorhandene Forschungsliteratur kritisch zu lesen und mit eigenen Beobachtungen bzw. Meinungen zu vergleichen.

Das Abfassen von Texten ist ein Hauptgeschäft aller Wissenschaften, besonders jedoch der Geisteswissenschaften, denn gerade von ihnen wird diese Fähigkeit erwartet und geschätzt. Solche im Studium erworbenen und trainierten Fähigkeiten - also termingerechte Texterstellung mit präzisen Formulierungen; Erfassen, Bewältigen, Strukturieren und Analysieren einer größeren Informationsmenge; korrekte Textpräsentation helfen Ihnen auch in zahlreichen anderen Arbeitsbereichen.
Nicht zuletzt für Bildende Künstler ist es ein qualifizierendes Merkmal, über Kunst (nicht nur die eigene) sprechen und sie überzeugend vermitteln zu können.

* Dieser Text folgt in einigen Formulierungen ähnlichen Erläuterungen von Prof. Dr. Roland Kanz, Bonn.