Ikonografie
der Moral – zur Kunst von Robert Kunec
Politische
Plastik: das ist eine hoch kontaminierte Deponie bildender Kunst. Von
Kriegerdenkmalen mit ihrer tendenziellen Austauschbarkeit reicht sie
bis zur fragwürdigen Monumentalität abstrakter Stelenfelder, von
Symbolfiguren wie Michelangelos David über Freiheitsstatuen oder
Herrmansdenkmäler bis zur repräsentativen Kühlerfigur etwa.
Vor
allem steht hier eine reiche religiöse Tradition Pate, wo es um
politische Moral geht, mit kämpfenden Engeln, mit Märtyrern,
Aposteln und anderen Propheten religiöser Botschaften. In den
Arbeiten von Robert Kunec ist diese Prägung spürbar. Dass er mit
den Spielregeln dieser Ikonografie umgeht und wie er das vollzieht
ist dabei nur ein erster Faktor. Ein zweiter, mindestens ebenso
wichtiger Aspekt ist seine Positionierung als Künstler. Ihm geht es
um die Lesbarkeit seiner Kunst als politische oder eben auch
moralische Aussage und gleichzeitig um einen sinnvollen Ausgleich
zwischen künstlerischen Fragestellungen und der Einbindung in eine
solche öffentliche Funktion.
Wenn
Robert Kunec ein Auto als explodierte Ruine gestaltet, weiß er um
die kritische Tradition der Schrottplastik seit Tinguelys „Hommage
an New York“ oder ähnlichen Positionen. Der besondere Weg, den
Kunec zurücklegt, ist der handwerkliche Nachvollzug dessen, was ein
explodiertes Auto ausmacht. Aus eben dem Kunststoff, aus dem
Prototypen und Karosseriestudien entstehen, setzt Kunec sein
dreidimensionales Bild zusammen. Sein Weg geht gerade nicht über das
Antragen und Ausschneiden großer und eleganter Entwurfslinien ins
Modell, sondern unterzieht sich einem mühseligen Prozess, der lauter
kleine Würfel zur Plastik akkumuliert. Diese Methodik könnte sehr
wohl auch Modell sein für die Analyse all jener Elemente, die nicht
nur materiell, sondern auch mental Autobomben entstehen lassen.
Robert
Kunec' 1/1 Suicide Bomber ist im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie
hoch effizient. Nicht nur das tagesaktuelle politische Geschehen
erregt dieses Aufsehen oder der Verweis auf jugendliches Bastelwerk.
Der lebensgroße Bausatz für einen Selbstmordattentäter nimmt auch
im Bereich der Kunst eine widerspenstige, nicht leicht angreifbare
Position ein. Alle Kunst ist politisch, sagt Brecht. Zudem greift die
Arbeit mit ihrer handwerklichen Herstellungsweise eine Diskussion
auf, die kunstintern lodert, seit Marcel Duchamp Gegenstände der
Alltagswelt in museale Umgebungen einschleppte. Dass der Künstler
all das mit einer umfangreichen Stoffsammlung zum Thema und einer
weitgehenden Reflexion ihrer Verweisfelder begleitet, ist hier nur zu
bezeichnend für die Arbeitsweise und die Haltung von Kunec.
„It's
not a Bomb“ liest man auf einem Koffer. Gesetzt, dass die
Aufschrift stimmt: In einem Tabernakel materialistischer Religion
braucht es keine Bomben. Da macht es durchaus Sinn, dass der
Kofferinhalt den Blicken entzogen bleibt. Immateriell und nur
vorstellbar lässt der Kofferinhalt jene Wetten auf möglichen Gewinn
oder ähnliche Finanz-Transaktionen anklingen, deren
weltwirtschaftliche Wirkung längst mehr Häuser und Leben vernichtet
hat als Bombenattentate. Und egal ob die alarmierende Wirkung
begründet ist oder nicht, sie setzt einen zutiefst beunruhigenden
Bewusstseinsschub in Gang, an dessen Ende man sich in mehrfacher
Hinsicht unkontrollierbaren Mechanismen ausgesetzt sehen muss.
Die
Rolle, die Robert Kunec als Künstler auf sich nimmt, ist die des
Hinweisenden: auf gesellschaftlich, moralisch oder auch religiös
grundlegende Fragen und auf deren inhärente Architektur. Bei aller
primären Anschaulichkeit erschließen seine bilderischen Formen
einen Zugang, der tief ins Innere von Öffentlichkeiten führt und
mit der Frage nach deren individuellen Anteilen noch längst nicht
geendet hat.