Zum Inhalt der Verpackungen Ruth Knechts

Tara
Im Zeitalter der grünen Punkte sind Verpackungen eine wichtige Größe. Im Schnittpunkt ökonomischer und ökologischer Interessen nimmt die Verpackung eine höchst komplexe Rolle ein. Sie ist genauso notwendig (nichts soll verderben) wie lästig (die Natur darf nicht weiter belastet werden). Je nach Produkt neigen sich die Auffassungen sehr verschiedenen Richtungen zu. Entweder die Verpackung ist über die oben angeführten Funktionen hinaus zweckfrei und sollte daher so wenig wie möglich auffallen, oder sie ist Werbung, verführerische Schale eines wie auch immer gearteten Kerns.
In genau diesem Spannungsfeld arbeitet Ruth Knecht.

Brutto
Verpackung als Thema und als Kunstform ist nichts Neues. Die japanische Verpackkunst ist längst intellektuell salonfähig geworden - immerhin spielt sie in manchem Architektur-Grundkurs eine tragende Rolle, wo es um das Verhältnis von Ästhetik und Funktion geht. Und natürlich hat Christo als Branchenführer der Verpackungskünstler schon vieles ausgelotet, was als Objekt sich zur Verpackung eignet und welche Besonderheiten beim Prozeß des Ver- und Entpackens man beachten sollte.

Netto
Ruth Knechts Arbeiten benutzen das gesamte Spektrum an Überlegungen, das heute Verpackungen umgibt. Ihre Müll-Installationen weisen auf Ökologisches. Aber auch die Verführung durch Verpackung - ein Akt, der sich seit jeher aus einer gut dosierten Mischung von Verweigerung und Verheißung ergibt - sie wird in ihren Installationen erlebbar. Nett verschnürte Päckchen laden zum Auspacken ein, der Einsatz ist nicht hoch, aber geschenkt bekommt man auch nichts. Ein Hauch von Tombola umgibt die Arbeit. Aber anders als bei solchen Verlosungen ist das Ergebnis nicht sofort da: wer sich daran macht, die mit Sorgfalt verpackten Präsente zu entblättern, trifft zunächst auf Unterverpackungen. Das berüchtigte Zwiebelprinzip ("Hab' sieben Häute, beiß' alle Leute") setzt sich jedoch nicht endlos fort. Am Ende des Auspackens steht doch ein inhaltlicher Kern: ein Sinnspruch läßt sich lesen, etwas wie "und plötzlich ist alles wie Weihnachten". Oder ein Foto zeigt - selbst zerknüllt - Packmüll unterschiedlicher Herkunft. was auch immer im Kern der Sache auftaucht, es weist zurück auf das Verpacken, das Auspacken, die Packung. Der Teilnehmer vollzieht eine Handlung und erzielt als deren Ergebnis eine Art Kommentar zu dem, was er gerade getan hat.
Es wäre zu kurz gedacht, wollte man die Installation mit diesem selbstkommentierenden Prinzip der kleinen moralischen Lehren zu den Akten legen. Ruth Knecht arbeitet gerne mit Mogelpackungen. Die kleine lustige Tombolaaktion ist eingebunden in ein langfristig arbeitendes Projekt, dessen Verlauf noch nicht abzusehen ist. Die Reaktionen werden verbucht und das Päckchen mit der gleichen Sorgfalt wieder zugeschnürt, mit der man es vorher antraf. Es wartet auf den nächsten, der es auspacken möchte.

* Kaum ein Hersteller kann es sich heute leisten, auf Verpackung zu verzichten. Das gilt gleichermaßen für Ruth Knecht, die diesen Text als Verpackung ihrer Arbeiten in Autrag gab wie für den Autoren, der sein Interesse und seine Überlegungen dazu in Worte kleiden muß. Diese Verpackung dient der Konservierung und der Werbung. Beim Verbrennen bleiben Rückstände.