2 ZKDBWunschzimmer
Zur Kunst von Seoungwon Won

8.00 Workout Pflanzenoase, 15 min-Programm
8.30 - 10.30 Kommunikation erledigen im neuen "Wohlfühl"-Büro
11.00 Firmenbesprechung am Pool (guter Badeanzug)
13.18 Mittagessen im Zugrestaurant (14.02 an!)
15.00 Besprechung mit S., Asian Center, Tor der Fische
17.20 Geschenk für E. in der Erlebnisbuchhandlung
17.45 Mit Kindern ins Phantasialand (diesmal unbedingt mexikanisch essen)
19.00 zuhause: Chat in der Technolongue (vorher Preis checken, Chatraum evtl. verlegen?)

Räume, Orte und deren Funktionen fahren miteinander Karussell, nehmen immer neue Plätze ein, rotieren. Wo früher Typologien festgefügt waren, nistet heute eine schillernde Mischung aus Freizeit, Arbeit, Wohnbedürfnissen und Fernweh. Arbeitsräume haben sich wohnlichen Situationen ebenso angenähert wie Kaufhäuser oder Schulen den Erlebnislandschaften. Auch die ehedem als "gute Stube" oder "Salon" eingerichteten Wohnzimmer öffnen sich zusehends für alle möglichen anderen Funktionen. Am interessantesten ist dabei der Siegeszug der angeblichen Fenster zur Welt durch die Wohnzimmer. Wie dort Fernseher oder Internetmaschinen inszeniert sind, prägt die räumliche Struktur oft mehr als alles andere. Das geschieht mit überzeugenden funktionellen Gründen, denn global gesehen werden Wohnen und Fernsehen zunehmend deckungsgleich.

Seoungwon Won arbeitet mit diesen zivilisatorischen Vorgängen. Ihre Manipulationen erscheinen auf den ersten Blick einfach: Zimmer zum Wohnen verbinden sich mit Wunschwelten zu einem je neuen, utopischen Raum. Diese präzise Verschmelzung von "Wirklichkeitssinn" und "Möglichkeitssinn" erzeugt der Computer noch eher als die Fotomontage: ein Büchereiteppich kann bis in alle Ecken verlegt werden, das hölzerne Kastenbett sich im Wasser der Felsenbrandung spiegeln. In eigentümlicher Weise verschränkt sich auch Innen und Außen. Während die klassische Fototapete der siebziger Jahre in der Regel eine Wand optisch als großes Fenster zu einem ewigen Schönwettergebiet öffnet, spielt Seoungwon Won auch mit den jeweiligen Wünschen nach Offenheit oder Abgeschlossenheit. So öffnen sich einige Behausungen in eine Park- oder Naturlandschaft, während andere vor allem die vorhandenen Wände nutzen, um die Funktionen der Orte neu festzulegen.

Aber bei diesem rein faktischen Aspekt bleibt es nicht. Die jeweilig ersehnten idealen Aufenthaltsorte sagen oft mehr über die Bewohner aus als ein Porträt. Hinter der Person entsteht mit der inszenierten eigenen Version der "besten aller Welten" eine Aussage über das, was Porträts dem Betrachter oftmals vorenthalten: die Wünsche, Ziele und Sehnsüchte der so Gezeigten. Die Homestory wird zur Beschäftigung mit Leidenschaften, und sie setzt wie beim guten Porträt ein gutes und geklärtes Verhältnis zwischen Porträtierten und Künstlerin voraus.

Heute gibt es zunehmend mehr Möglichkeiten, seine Wünsche und Träume zu verwirklichen, und mit der Werbebranche lebt eine ausgedehnte Industrie davon, dieses Bewußtsein zu stärken und letztlich als Anspruch zu etablieren. Dieser Markt an Wünschen ist wahrscheinlich die konstanteste und größte Wachstumsbranche, und sie läßt sich kommerziell immer wieder als Geldmaschine nutzen. Seoungwon Won steigert in ihren Arbeiten solcherlei Ansprüche bis hin ins Absurde; ihre Bilder schlagen auch einen nicht unerheblichen Funken Humor aus diesem Steinbruch. Wie sagt nicht eine fernöstliche Weisheit: "Bedenke, was Du wünschst - denn das könnte Dir gewährt werden."

Johannes Stahl

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