Olaf Wegewitz

Zwischen Braunschweig und Magdeburg, schon ein wenig in nördlicher Richtung weggerückt vom Harz, erstreckt sich ein kleiner Bergzug mit dem Namen Huy. An diesem der zeitgenössischen Kunst kaum geläufigen Ort schafft, vermittelt und denkt seit längerem Olaf Wegewitz seine Kunst. Der in den achtziger Jahren aus Leipzig zugewanderte Künstler hat sehr gute Gründe, in gerade dieser Umgebung zu arbeiten. Seine Kunst ist als schlüssiges System angelegt. Sie bezieht einen guten Teil ihrer Energie aus der sorgfältig überdachten Einheit von Wahrnehmung, Produktion und Vermittlung. Gerade dadurch ist sie in hohem Maße kommunikativ, läßt sich fraglos auch an anderen Orten und in anderen Zusammenhängen einsehen.

Dabei bleibt letztlich gleich, ob sich Olaf Wegewitz mit dem Sprachforscher Hans Conon von der Gabelentz beschäftigt, die zu Unrecht in Vergessenheit geratene und zudem als reine Reproduktionstechnik verrufene Heliogravure zu neuen, faszinierenden Ergebnissen führt, überzeugend einfache und dabei handwerklich ausgefallene Vermittlungssysteme seiner Kunst inszeniert oder ein Wiederaufforstungsprojekt in besagtem Huy betreibt. Olaf Wegewitz denkt und gestaltet das jeweilige Projekt durch, ganzheitlich, aber aus der Sache heraus und ohne den quasireligiösen Eifer einer Ideologie.

„Schuttfloren“ ist ein solches Blatt, das eingehende Wahrnehmung, malerische Aneignung und technisch ausgefallene Umsetzung zusammenbindet. Für den so stark an der Natur orientierten Wegewitz sind ihre Wirkkräfte und Produktionsbedingungen besonderer Anreiz. Welche Pflanzen sich auf Schutt entwickeln, also auf einer vom Menschen zurückgelassenen künstlichen Situation, ist hier vor allem ein gestalterischer Vorgang, hinter dem sich zivilisatorische Überlegungen anschließen können. Die zeichnerische Substanz von „Kopfgras“, Farbgebung und Farbausdehnung von Wasser, die eigene Notiz über die gerade gesehene Pflanze: die Form der Bilder von Olaf Wegewitz ist das geradezu schlüssige Ergebnis einer intensiven Wahrnehmung seiner Umgebung ebenso wie der konzentrierte Ausdruck des eigenen Erlebens.

Natürlich ist es schon nicht mehr aktueller Trend, daß sich Künstler zahlreich, langfristig und intensiv mit Natur befassen. Längst ist diese Mode schon weitergezogen: die einschlägigen Fachzeitschriften und Ausstellungen haben sich mit dem Phänomen beschäftigt, aber jetzt sind andere Themen aktueller. Einem solchen Verdrängungswettbewerb der Ideen entzieht sich Wegewitz, ohne jedoch die konzeptuellen, inhaltlichen oder technischen Neuerungen zu verschlafen. Als Vermittler von Kunst, in seiner häufig kollektiv angelegten Arbeitsweise mit anderen KünstlerInnen oder WissenschaftlerInnen hat der nicht akademisch ausgebildete Künstler die jeweils anderen Möglichkeiten längst kennen gelernt. Für seine eigene Arbeit wirkt sich das mitunter anregend aus, jedoch reizt es Wegewitz besonders, mit diesen Kenntnissen beharrlich jeweils eigene Wege zu erschließen. Vielleicht muß das so sein, vollzieht es sich doch analog zu den natürlichen Vorgängen, die er beobachtet und mit denen ihn eine so große Nähe verbindet.

Johannes Stahl 4/2002

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