Michael von Biel

Es könnte so schön sein. In trauter Tradition abendländischer Bildwelten spendet der Maler ein Seestück, mit einem überaus leuchtenden Blau des Himmels eine besondere Lichtsituation bezeichnend. Ein unruhiges Lineament gibt Aufschluss über seine Bewegungen, die nicht nur gestisches Gefüge, sondern auch immer emotionale Spuren eines tiefen Erlebens sein würden.

So einfach macht es Michael von Biel den Betrachtern seiner Bilder auf Dauer nicht. Der Musiker, der nach einer hochkarätigen Ausbildung (u.a. bei John Cage, Karlheinz Stockhausen) und beachtenswerten Erfolgen seiner konsequent zeitgenössischen Musik in den späten 1960er Jahren einen plötzlichen und endgültigen Wechsel zur bildenden Kunst machte: auf Vordergründiges hat er es nicht abgesehen. Das Konzeptuelle seiner Kunst hat Vorrang, die genaue Vor-Überlegung, was er zeichnen oder malen wird, und weshalb. Und ebenso wichtig ist das, was er nicht zeichnet. Was frei bleibt.

Auch wenn sie zunächst spontan entstanden wirkt, macht die Farbskizze mit dem Titel "Bodensee" da keine Ausnahme. Ein wichtiger Hinweis kann von Biels Umgang mit dem Bildfeld sein: nicht nur, dass seine Skizze mit einer blauen Randlinie an drei Seiten abgeschlossen scheint, weist die Arbeit als ein Stück durchaus reflektierter Zeichnung aus. Die blaue Begrenzungslinie schafft auf durchaus einfache Weise einen inneren Rahmen, wie in einer Erzählung, die durch den Erzähler selbst eingeleitet und beschlossen wird. Eine mit dem Pinsel und der gleichen blauen Farbe wie die Skizze aufgetragene Schrift gibt mit dem Wort "Bodensee" einen Titel an, der sich durch das Dargestellte nachvollziehen läßt. Allerdings ist diese Art von Betitelung mit den malerischen Werkzeugen eher selten, zumal Michael von Biel sein Monogramm mit Bleistift darunter angebracht hat. Ebenfalls wieder mit Bleistift erscheint unter der Farbe der Bildbegrenzung nebenan noch eine Reihe geschriebener Worte, von denen sich jedoch nur das Wort "PHOTOS" unschwer erkennen läßt. Der Maler hat offensichtlich seinen ursprüngllichen Plan geändert und läßt nur vermuten, daß da noch mehr war.

Das so Beschriebene nimmt allerdings nur die Hälfte der Arbeit ein. Das gesamte untere Bildfeld bleibt leer - auf den ersten Blick. Erst im genaueren Hinsehen zeigt sich, daß diese Bildpartie genauso "durchgearbeitet" ist wie das starkfarbige Oberteil. Eine sehr helle, grünliche Rundfläche breitet sich rechts aus, unterhalb des nun merwürdigerweise in der Bildmitte stehenden Bildtitels samt Signatur. Und auch die zunächst völlig unbearbeitet erscheinende linke untere Bildhälfte läßt Werk- und Benutzungsspuren ausmachen, neben dem hellgrünen Fleck, der sich immer weiter auszudehnen scheint. Leer ist das Blatt auf keinen Fall, und ob es als künstlerische Arbeit wirklich abgeschlossen werden kann, scheint sich als offene Frage an den Betrachter zu richten.

Johannes Stahl, 1/05

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