Willy M. Stucke "Der Bonner Maler Willy Maria Stucke hat es nicht leicht gehabt, seinen eigenen künstlerischen Weg zu finden. Einerseits belastete ihn von Anfang an die durch den Vater bis weit in unser Jahrhundert hinein tradierte Historienmalerei, die für neue Sehweisen keinen Raum ließ. (...) Andererseits hatten die rheinischen Expressionisten um August Macke, zu denen er sich von Temperament und Anschauung besonders hingezogen fühlte und unter denen er Hans Thuar und Franz Matthias Jansen zu seinen Freunden zählte, die Standfestigkeit ihrer neuen künstlerischen Theorien längst unter Beweis gestellt, als der mehr als 20 Jahre jüngere Stucke sich anschickte, Maler zu werden". Mit diesen Worten
schildert Alfons Biermann 1980 die Voraussetzungen für ein Werk,
das sich in engem Dialog mit den Ansätzen der künstlerischen
Kollegen einen sehr überzeugenden eigenen Weg bahnt. Willy M. Stuckes
Arbeiten spiegeln eine wesentliche Eigenschaft wieder, die den Fortgang
seiner künstlerischen Entwicklung immer wieder antrieb: die Neugier
am formalen und auch technischen Die Artothek im Bonner Kunstverein verfügt über zwei Arbeiten, die diese ständige Herausforderung durch die Zeitgenössischen Kollegen einerseits und die eigene Fähigkeit zur Durchdringung der Ausdruckmittel eindrucksvoll vorführt. In "L´homme" von 1966 geht Stucke vom Holzschnitt aus, jenem Ausdrucksmittel, das sowohl für seinen Freund F.M. Jansen als auch dem zu dieser Zeit sehr präsenten HAP Grieshaber eine wichtige künstlerische Technik zum Umgang mit der Wirklichkeit darstellte. Der große Druckstock greift über das Bildfeld hinaus; die - durch den Titel nahegelegte - Darstellung eines menschlichen Körpers spielt sich als die Auseinandersetzung mit einem Fragment davon ab. Linienschraffuren und vollflächig gesetzte Druckfarbe erzeugen gemeinsam ein Bild, das Plastizität zeigt, aber nicht simuliert. Bezeichnend für
diese Arbeit ist jedoch die Gestaltung von jenen Restflächen, die
Hintergrund sein müßten, wenn man von eineer dargestellten
menschlichen Figur ausgehen möchte, in ihrer Gestaltung dazu wiederum
aber in einem eigentümlichen Kontrast stehen. Dieser Hintergrund
ist auf eigentümliche Weise durchgearbeitet: blaue Farbe ist einerseits
mit dem Pinsel aufgetragen, andererseits von feinen Schraffuren durchzogen,
die einen wie von einer Radiernadel erzeugten grafischen Eindruck machen. Die grafischen Techniken und ihre schier unerschöpflichen Möglichkeiten zu spielerischen Kombinationen, eindrücklichen Wirkungen und dem Zusammenwirken von künstlerischem Plan und niemals völlig kalkulierbarem technischen Ablauf des Drucks sind in einem unbetitelten Blatt in der Artothek im Bonner Kunstverein besonders präsent. Eine Radierung mit den für Stuckes Bildwelt charakteristischen kantigen, an Lebewesen erinnernden Strukturen erscheint im Zusammenhang mit einer ocker-gelben Farbgebung, die wahrscheinlich auf einen Abdruck der noch nicht grafisch bearbeiteten Druckplatte zurückgeht. Ohne die für Grafik sonst übliche Nummerierung, dafür aber mit dem Wort "Probedruck" versehen, gibt das Blatt einen Einblick in die Werkstatt Stuckes, der immer aufs neue an seinen Ausdrucksmöglichkeiten arbeitete und gleichzeitig mit ihnen spielte. Johannes Stahl, 1/94 |