Fritz
Schwegler
ABULVENZEN; EFFESCHIADEN, EN-BUCH, ERSCHEINUNGS-MASZNAHMEN - ein dichtes
Gestrüpp eigenwilliger Wortprägungen umgibt das Werk Fritz Schweglers.
Das kommt nicht von ungefähr: Sprache ist eines der wesentlichen Elemente,
aus denen der Düsseldorfer Bildhauer seine Kunst formt. Quellen dabei
sind ebenso die poetisch-erzählerische Haltung der Musikanten und Moritatensänger
wie das Interesse für Rotwelsch, jene Sprache, die früher Diebe und
Gauner, aber auch das fahrende Volk der Vagabunden, Handwerker und Händler
sprachen. Ausdrücke, vor allem aber die kreative Veränderung dieser
gesprochenen Sprache kennzeichnen Schweglers Sprachwitz.
Aber auch eine Distanzierung wird spürbar: als Sprache der sozial Ausgegrenzten
ermöglichte es das Rotwelsch, geheime Verabredungen zu treffen und bot
eine Form, sonst Unaussprechliches zu äußern. Auch das mag in den Arbeiten
des Düsseldorfers mitschwingen: Fritz Schwegler wählt bewußt den Weg
abseits der trendgemäßen Kunstkonzeptionen, und gerade der Umgang mit
dem sonst sehr rationalen und logisch bestimmten Material Sprache ist
dabei ein entscheidendes Mittel.
Zu diesen Worten treten gleichberechtigt Skizzen mit Ölkreide und Tusche,
die - meist als Umrißzeichnung mit starkfarbig ausgemalten Flächen -
einfache Bildgegenstände ins Auge fassen. Dabei entfernt sich das Bild
jedoch immer von realen Zeichen oder Gegenständen: Heuhaufen bekommen
Räder, ein Geisbock turnt eingehakt mit seinen Hörnern um eine senkrecht
stehende Stange, der Handlauf eines Geländers weist einen Knoten auf.
Völlig unlogisch und irrational ist seine Kunst jedoch keineswegs: die
Fülle der kleinformatigen Zeichnungen und ihre Verbindung mit jeweils
einem Satz oder Wort unterliegt einer genauen numerischen Registratur,
Datierung und Einordnung in das System seines weit in die Tausende reichenden
Schatzes an Skizzen, Sätzen und Worten. Mit diesem Fundus arbeitet Schwegler:
aus seiner Kollektion stellt er wie ein Sammler einzelne Elemente zu
Ausstellungen zusammen, gelegentlich veröffentlicht er Skizzenbücher.
Aus diesem Bestand stammen auch jene Siebdrucke, die Fritz Schwegler
wiederholt als Jahresgaben für Kunstvereine geschaffen hat.
Eine eigenwillige Zweispurigkeit durchzieht so das Werk: viele der Skizzen
haben ihr Gegenstück in mit der gleichen spielerischen Poesie realisierten
Siebdrucken, kleinen und großen Plastiken, Aufführungen oder Wandbildern
- und diese müssen längst nicht von der Hand Schweglers selbst ausgeführt
sein.
Neben dem sauber geordneten Raster von Bildern und Texten in den Siebdrucken
nach dem "EN-Buch", zeigt "Der Säulenheilige" eine weitere wichtige
Beschäftigung des Künstlers: seit langem ist er erfolgreicher Professor
an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf. Aus seiner Klasse sind
immer wieder wichtige junge Künstler - beispielsweise Stefan Demary
oder Thomas Virnich -hervorgegangen. Das Eläutern der Herstellung von
Bildern - im Text wird deutlich erklärt, wie man einen Säulenheiligen
gibt - gehört ebenso zur Arbeit wie eine poetische Herkunftsbestimmung,
aber auch die ironisch distanzierte Sicht auf den in Trance Meditierenden:
"und dann, damit man seine Stimmung merkt, der Mund wie Mond inmitten
des Gesichtes, nach unten rund, als lachte er beständig. Was man ihm
zugestehen muß, dem Heiligen, ders sicher besser hat als wir Profanen."
Johannes Stahl, 8/94
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