Andreas Kuhlmann

Bewegung, Raum und Fotografie - so könnte man die wichtigsten Impulse benennen, die die Arbeit des in Bonn ansässigen Künstlers Andreas Kuhlmann seit längerem prägen. Nicht zuletzt gehört auch die Bildhauerei und Malerei dazu, deren für viele Künstler bindend gewordenen Formüberlegungen und lange Geschichte immer wieder in das Geschehen von Kuhlmanns Arbeiten eingreifen.

Ein Blick auf die Fotoarbeiten verrät gleich recht viel über die Arbeitsweise Kuhlmanns. Größere Serien von Schwarz-weiß-Aufnahmen bilden den Grundstock für eine zunächst registrierende Sichtweise seiner Umgebung. Die Fotos machen dabei jedoch nicht viel Aufhebens von den Dingen, denen sie sich widmen, sondern zeigen sie in wie beiläufig entstandenen Seitenblicken. Das Neben- und Hintereinander von mehreren Fotos gewinnt diesen alltäglichen Dingen neue, unvermutete Seiten ab, weil sie sie in eine Beziehung zueinander setzt. Kuhlmann verdichtet diese Serien durch eine einfachen Kunstgriff: er belichtet das Filmmaterial doppelt. Das Resultat dieser Technik ist kaum genau vorhersehbar: wird die Helligkeit der Fotos in einer sinnvollen Beziehung zueinander stehen, an welcher Stelle wird die Trennung der Einzelbilder einen dunklen Balken hinterlassen, welches Motiv des einen Film wird sich mit welchem des anderen überlagern und wie?

Kuhlmann plant seine Vorgehensweise, läßt aber den Ergebnissen auch einen eigenen, vom Zufall abhängigen Raum. So verwundert es kaum, wenn er Fotos aus dem fahrenden Wagen aufnimmt oder zufällig sich bewegende Orte wie beispielsweise den Wochenmarkt seine Bilder mitbestimmen läßt. Gleichzeitig unterliegen seine Arbeiten einer kritisch-betrachtenden Überprüfung, bevor er eine Serie als seine Arbeit zuläßt. Nicht selten verarbeitet er sein Ausgangsmaterial weiter, in Form von Fotokopien, die sich zu raumbezogenen Arbeiten verdichten, aber auch durch Übermalung, und Tönung der Fotos oder durch die Konfrontation mit glatten Farbfeldern.

Die Rolle von offenen, nicht steuerbaren Prozessen und der Bewegung begründet auch Kuhlmanns Interesse für die Betrachter seiner Werke. Vor allem in raumbezogenen Arbeiten zielt vieles darauf ab, die eigenen Bewegungs- und Wahrnehmungsvorgänge des Betrachters ins Blickfeld zu rücken: schlauchförmige Gänge lassen nur einen Blickwinkel zu, Barrieren verhindern Durchsichten, wie Informationen sich anbietende Fotokopien reflektieren die wirklichen und gedanklichen Wege, die optische Eindrücke bis zu den Köpfen der Betrachter zurücklegen.

Kuhlmanns Arbeiten auf Papier zeigen neben dieser Aufmerksamkeit gegenüber den verwendeten Ausdrucksmittel seine ständige Beschäftigung mit klassischen Problemen der Malerei und Skulptur. Welche Wirkung haben Farbgebungen für einen Bildraum, wie erschließt sich die dritte Dimension mit Schichten von Papier welches komplizierte Wechselverhältnis entspinnt sich zwischen Form, Farbe und Raum? Wenn man die serienhaft angelegten Fotoarbeiten Kuhlmanns noch im Blick hat, liegt es auf der Hand, daß er hier weitaus eher begründete Fragen stellt als klar umrissene Lösungen behauptet. Die neugierige Offenheit, mit der Kuhlmann seine Arbeiten den bereits erschlossenen Formen immer wieder gegenüberstellt, läßt auch für den Betrachter immer neue Blicke zu.

Johannes Stahl 6/93

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