Mischa Kuball

Von einem Künstler, dessen hauptsächliche Ausdrucksmittel Licht, Raum und zeitlich gebundene Abläufe sind, wird man kaum ein Bild im klassischen Sinn erwarten können. In der Tat hat Mischa Kuball recht früh das zweidimensionale gerahmte Bild als Möglichkeit für sich verworfen. Schnitte durch Papier und im Raum aufgehängte Bildflächen zeigten, daß ihm anderes wichtiger ist: der künstlerische Eingriff in den Ort und die präzise Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ausschnitt aus der Wahrnehmung.

Solchen künstlerischen Arbeitsgebieten nähert sich Kuball schrittweise und mit spezifischen Mitteln an. Mit Diaprojektoren projeziert er sowohl vorgefundene und sich rasch ändernde Lichtbilder als auch geometrisch begrenztes Licht auf sehr gezielt ausgesuchte Flächen. Aus handelsüblichem Presspan angefertigte möbelähnliche Behälter dieser Projektoren bringen diese Vorgänge in Wechselwirkung zu klassischen Auffassungen von Skulptur und dreidimensionalem Raum: die Aufbewahrungsorte und Aktions-Plattformen der Projektoren stehen in ihrer Funktion jeweils zwischen dienendem Behältnis für das Licht-Zeit-Geschehen und ihrer eigenen Aussage als Form.

Erhellend für eine Annäherung an das künstlerische Arbeiten Mischa Kuballs ist immer das Verhältnis zwischen Innen und Außen, zwischen privater Formbestimmung und dem öffentlichen Augenmerk, dem sich Kunst ausgesetzt sieht. Konsequenterweise hat Kuball seine Aktivitäten immer stärker in den öffentlichen Raum hinein verlagert. Ob er das Mannesmann-Hochhaus in Düsseldorf nach Feierabend und Sonnenuntergang zu einer monumentalen Leuchtplastik macht, mit seiner Kunst auf historisch besetzte Orte wie das Bauhaus in Dessau oder die Synagoge in Stommeln eingeht oder als Projekt mit Studenten der Uni in Graz öffentliche Plätze mit Stühlen wörtlich besetzt: Kuballs formal präzise Eingriffe fordern auf sehr grundsätzliche und offene Weise, öffentlichen Raum und Öffentlichkeit als bedeutungstragende Gestaltung zu überdenken.

Eine wesentliche Komponente seiner Arbeiten ist die Zeit. In Momenten wie der Projektionsdauer eines Bildes, in der Leuchtzeit seiner auf die Dunkelheit der Abend- und Nachtstunden angewiesenen öffentlichen Interventionen und nicht zuletzt in der Dauer eines Projekts steckt nicht selten ein gewichtiger Faktor für die Wahrnehmung seiner Arbeit. Wo er zwei unterschiedliche Zeiträume sich überlagern läßt, entsteht ein von ihm nicht mehr gezielt beeinflußbarer Vorgang, der auch dem Zufall unterworfen ist und mit der strengen formalen Gestaltung nicht selten vielsagende Kontraste aufbrechen läßt.

Die wenigen Editionen, die Kuball bislang gemacht hat, entspringen in sehr charakteristischer Weise den Prinzipien seiner Projekte. Licht sowie die optische und gedankliche Reflektion seiner technischen Hilfsmittel sind häufige Impulse für kleine Arbeiten. Auch die intensive Frage nach Innen und Außen prägt seine kleinen Editionen. Sie haben den Ort und den Umstand ihrer Anbringung auch dann noch zum Thema, wenn Kuball nicht wissen kann, wo das Werk letztlich landet. "Six Pack Six", eine Arbeit, die - ausnahmsweise - sogar noch das klassische Element des Bilderrahmens benutzt, fußt auf dem Prinzip der Leuchtkästen: je nach Ort der Anbringung reflektiert die Rückwand hinter der transparenten Folie ein anderes Licht und versetzt es mit dem immer gleichen Motiv der Projektionsobjektive.

Johannes Stahl, 3/96

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