Allan Kaprow

Schlägt man heute ein Lexikon auf, findet sich unter dem Wort "happening" mit ziemlicher Sicherheit einen Hinweis auf Allan Kaprow und die Definition, daß es sich um eine spezifische Kunstform der sechziger Jahre handelt. "Happening" könnte man als "Geschehnis" übersetzen, auch wenn von diesem Begriff mittlerweile die unterschiedlichsten Anwendungen im Sprachgebrauch zirkulieren. Da Sprache sich weitaus eher als ein Feld konkreter Bedeutungen versteht denn als Möglichkeit, eben diese Bedeutungen offen und erweiterbar zu gestalten, kam die Karriere des Worts "happening" für Allan Kaprow in mehrfacher Hinsicht unerwartet. Er hatte den Begriff wegen seiner Beiläufigkeit und Offenheit gewählt - eine kunsthistorische Theoriebildung, die aus dem "happening" immer mehr eine Sache von Eingeweihten und Informierten machte, lag ihm fern. Inhaltlich zielten die meisten seiner happenings auf alltägliche und normale Umstände und Kaprow versuchte damit, den Elfenbeinturm elitärer Kunst zu verlassen. Daß über seine Aktionen dann aber nur als Gegenstand von besonders aktueller Bildender Kunst gesprochen wurde, lag gewiß nicht im Zentrum von Kaprows eingeschlagener Richtung.

Daß er 1989 in Bonn sein Publikum dazu brachte, einen Schuh an einer Schnur durch die Stadt zu schleifen und diesen anschließend an den abgeriebenen Stellen mittels Pflaster zu verbinden, zeigt Kaprows speziellen Sinn für das Absurde im Alltag, eine eher didaktische als eine speziell auf Kunstgeschehen ausgerichtete Absicht. "Wir sollten diese Aktion im Rückblick betrachten und davon erzählen wie von den Urlaubserlebnissen", animierte er 1995 bei einem Workshop die teilnehmenden Studenten zu einem bewußt nicht theoretischen und analytischen Ansatz, aus dem sich eine differenzierte Sichtweise erst entwickeln könnte. Kaprow hat gleichwohl wiederholt theoretische Texte zu seinen Aktionen verfaßt, aber "das Verschwimmen von Kunst und Leben" ist jedesmal Gegenstand seiner lesenswerten Analysen.

Der Siebdruck "Yard" scheint auf den ersten Blick ein Zugeständnis Kaprows an traditionelle Gepflogenheiten der Kunstbetrachtung zu sein. Den aus seiner bekannten Installation "Yard" geläufigen Autoreifen in der Mitte, umgeben von einem grob gezeichneten rechteckigen Umfeld mit Eingang und, diese Linie oben rechts durchbrechend das Wort YARD: so stellt man sich einen klassischen "Kaprow" auf Papier vor. Gerade diese begehbare Installation, die Innenräume mit einer Masse an Autoreifen füllte, hat Kaprow immer wieder an verschiedenen Orten realisiert. Das in eigentümlicher Weise integrierte Wort läßt an zahlreiche Aktionen des Künstlers mit Sprache hinweisen. Aber das Wort könnte sich als doppelbödig erweisen: in seiner Aktion "Courtyard" (Gericht) gibt Kaprow mit integrierten Worten eine bestimmte, vom Publikum ahnbare Bedeutung vor, ohne daß es am Ende zur erwarteten Auflösung der Frage kommt.

Johannes Stahl, 3/2002

 

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