Birgit Jensen

Es ist heute eher selten, wenn Künstler den Siebdruck in das Zentrum ihrer Produktion stellen. Zu häufig und zu häufig auch banal ist diese technische Möglichkeit seit den 1960er Jahren genutzt worden. Die ursprüngliche Faszination, welche die Pop-Künstler gerade gegenüber der Plakativität und den Verbreitungsmöglichkeiten dieser Technik gegenüber empfanden, ist heute einer tief sitzenden Skepsis gegenüber den bunten Farben dieser Drucke gewichen. Wenn sich Birgit Jensen bis heute mit Effekten und Technik des Siebdrucks beschäftigt, ist das eine Bewegung gegen den Strom.

Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Themen ihrer Kunst ziemlich andere sind als die der einschlägig bekannten Pop-Ikonen. Immer wieder haben Ordnungen aller Art Vorgaben für Birgit Jensens Bilder gegeben. Ob das 1991 abstrakte Anordnungen von farbigen Rechtecken und Linien auf einem vorgegebenen Format leicht über dem der normalen Postkarte waren, die sie als 6-er Satz dem Käufer Ihrer Edition zur weiteren Ordnung in einem ebenfalls mit Siebdruck gestalteten Kasten überließ oder ob im gleichen Jahr schwarze und gelbe Kerzen das Wort "nachts" zu einer Bodeninstallation formten, die Idee der Ordnung und die Verwendung starker Eigenfarben stehen im Zentrum. Spätere Arbeiten stellten ähnliche Fragen in anderen Bereichen: bedruckte T-shirts als Edition oder ein Bilderbogen aus sechs Motiven für die Griffelkunst-Edition brachten dieses Thema in den Bezug zu sechs sehr unterschiedlichen Feldern. "Auf der Suche nach Ordnung", so überschrieb sie die Begleitpublikation, brachte sie geometrische Fragen, Körperoberflächen, Zoologische Systeme und sprachliche Umsetzungen zueinander in Beziehung.

Seit geraumer Zeit beschäftigt sich Birgit Jensen inzwischen mit den Eindrücken von Städten. Grossformatige Leinwandarbeiten im Siebdruck zeigen Bilder von Städten, die wie ein fast ebenerdiger Anflug mit dem Flugzeug wirken. Diese Veduten weisen eine starke Rasterung auf, die deutlich sichtbar alles in quadratische Module auflöst. Der Einfluss eines mit dem Computer erzeugten Pixelrasters scheint hier sehr nahe zu liegen. Gleichzeitig aber ist eine gewisse Skepsis angebracht, ob es um diese Wahrnehmung über das Medium des digitalen Bildes überhaupt in erster Linie geht. Die Farbgebung setzt ähnliche oder gleiche Motive in immer wieder neuen, sorgfältig gewählten Kontrasten aus wenigen Farben um. Die so entstehenden Serien fragen weitaus eher nach den emotionalen Komponenten dieser Städtebilder als nach den technischen. Es geht Birgit Jensen bei aller technischen Versiertheit der Anlage, bei aller Beharrlichkeit im Verwenden des Siebdrucks, um malerische Fragen der Wahrnehmung.

Johannes Stahl, 07/04

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