Hilla Jablonsky Farbige Flächen, fast zeichnerische Gesten: wer Hilla Jablonsky vorschnell in eine der bereit stehenden kunsthistorischen Kategorisierungen wie den lyrischen Expressionismus einordnen möchte, wird sein Urteil schnell revidieren müssen. Bei aller sinnlichen Direktheit, welche die starkfarbigen Arbeiten der in St. Augustin lebenden Malerin aufweisen, zeigt ein zweiter Blick rasch, daß Jablonskys Bilder ein differenziertes Gefüge aus verschiedenen malerischen Grundströmungen sind. Ihre Bilder erzählen von den gestalterischen Vorgängen, die das Malen prägen. Collagierte Leinwandstücke, die selbst wieder übermalt sind, bilden einen Malgrund aus, der die Bilder in die dritte Dimension erweitert, ohne die Fläche weit zu verlassen. Gleichzeitig bilden die Formen und Konturen solcher materieller Bildelemente selbst eine Art innerer Architektur aus. Die Geste taucht als sichere, deutliche Handschrift auf und läßt vor allem in den späteren Arbeiten auch einmal dem Verlauf der Farbe einen eigenen Weg, der auch das Malwerkzeug im Bild wirksam und sichtbar werden läßt. Zeichenhafte Elemente gehen auf eine Deutung aus, ohne im Kanon bekannter Symbole eine eindeutige Lesbarkeit anzustreben. Auch Titel wie "Glühende Landschaft" oder "Rheinaue I" legen es nahe, die Arbeiten generell einer figürlichen Lesart zu unterwerfen. Allerdings läßt sich kaum ein Bild direkt an, der weit verbreiteten Idee einer illustrierenden Landschaftsdarstellung zu entsprechen. Wer es möchte, wird in der ruhigen Komposition immer Elemente von Landschaft finden. Genauso stark aber sind andere Impulse des Bildes. In einigen Arbeiten (so zum Beispiel in "Lichtwache I") setzt Hilla Jablonsky mehrere Einzelbilder zu einer Arbeit zusammen und beschreitet so in der klassischen Form des gerahmten Bilds einen Weg, der (ähnlich wie in Kirchenfenster-Gestaltungen) in räumliches Arbeiten hinein führt. Daß Farbe die dominante Quelle des Eindrucks ist und bleibt, kommt kaum von ungefähr. Hilla Jablonsky verwendet dieses am stärksten emotional aufgeladene malerische Mittel nicht zuletzt, weil Seelenzustände, Befindlichkeiten und psychische Grundströmungen sie grundsätzlich beschäftigen. Der Anklang an musikalische Ereignisse wie George Gershwins "Rhapsody in Blue" und nicht zuletzt die von Jablonsky selbst veröffentlichte Lyrik weisen auf eine ganzheitliche Abrundung dieses künstlerischen Grundanliegens: "Ich gestalte meine Betroffenheit. Ich mache Bilder, weil ich berühren will, betroffen machen will, weil ich zum Sehen, zum Erleben führen will." Diesem abgerundeten, ganzheitlichen und letztlich humanistischen Ideal entspricht die ausgewogene Bildform ihrer Arbeiten. Auch wenn Bildgrund und zeichnerische Gesten in eine formal und farblich heftig kontrastierende Zwiesprache treten, auch wenn die Oberflächen eine ausdiffrenzierte Wechselwirkung zwischen glänzenden und opaken Partien auszeichnet, auch wenn der Aufbau des Bilds das spannungsvolle Verhältnis zwischen Zentrum und Rand durchaus ausreizt: immer wohnt ihren Bildern eine eigene Ausgewogenheit inne. Diese Harmonie ist der Schlußpunkt im Prozess der Bildentstehung, der sich durchaus auch sichtbar über längere Zeit hinziehen kann. Diese Geschlossenheit ist auch Startpunkt für den Betrachter ebenso wie ein möglicher Ruhepunkt, an den das Bilderlebnis gelangen kann. Johannes Stahl, 12/04 |