General
Idea
Aids war das Thema von einem großen Teil der Arbeiten, die die kanadische
Künstlergruppe General Idea zwischen 1987 und 1992 zeigten. AA Bronson,
Felix Partz und Jorge Zontal schufen das Bildzeichen, mit welchem Benefizauktionen
für Aids-Hilfen (wie beispielsweise auf dem Kunstmarkt Art Cologne 1989)
publik gemacht wurden. Das Logo ordnet die vier Buchstaben zu einem
großen Quadrat und gibt den Buchstaben und Hintergründen starke, gleichmäßig
aufgetragene Grundfarben, die sehr kontrastreiche Wirkungen erzielen.
Diese Anordnung ist nicht neu, sondern nur allzu bekannt. Der amerikanische
Pop-Künstler Robert Indiana hatte in den sechziger Jahren ein sehr ähnlich
beschaffenes Bild gemalt, das vielfach reproduziert in zahlreichen Zimmern
hing. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, daß im Bild Indianas
die Buchstaben des Worts "LOVE" das Logo bildeten. Eine bildgewordene
große Hoffnung der sechziger Jahre scheint im Zeitalter von Aids unter
völlig andere Vorzeichen geraten zu sein.
In einer Arbeit von 1992 greifen die Künstler das Thema Aids wieder
anders auf: Unter dem Titel "Fin de siècle" (Jahrhundertwende)
stehen fünf große Kunststoffpillen in einem steril gestalteten Ausstellungsraum,
an dessen Wänden 1825 kleine Pillen angeordnet sind. "One Day of
AZT" zeigt die Tagesration des umstrittenen Gegen-mittels, "One
Year of AZT" die eines Jahres.
Die Kunst von General Idea geht sehr verschlungene Wege. Bilderkonsum
spielt eine große Rolle, der Betrachter mit seinen Erwartungen und Gewohnheiten
sieht sich immer wieder als Gegenstand der Arbeiten zum Thema gemacht.
Was zunächst nur ein griffiges Bildzeichen zu sein schien, entwickelte
unter den Händen der drei Kanadier ein Eigenleben, das auch über die
üblichen Kunstorte hinausgriff. "Image Virus" nannte die Gruppe
Ansammlungen des gleichen Bildmotivs, die sie ohne weiteren Kommentar
öffentlich benutzten. Plakatwände, Anzeigetafeln, Straßenbahnseiten
und Schaufenster füllten sich mit dem Aids-Logo, das sie "Imagevirus"
(Bildvirus) nannten. In die gewohnten leicht verständlichen Zeichen
der Reklame oder des Straßenverkehrs mischt sich ein Virus ein, der
nicht zu verstehen ist, der aber gleichzeitig die Aufmerksamkeit beansprucht
mit starken Farben und deutlichen Buchstaben.
Plötzlich gerät unsere Aufmerksamkeit für vieles in ein anderes Licht:
die Aufmerksamkeit für Kunst, die für Werbung, die vielleicht schon
wieder nachlassende Aufmerksamkeit für Aids und nicht zuletzt für unsere
eigenen Reaktionen.
Der Briefmarkenbogen mit dem gleichen Motiv (es tauchte in den Arbeiten
von General Idea unter anderem auch als Wappen, Kopftuch oder als Edelstahlskulptur
auf) gibt der Idee wieder eine andere Richtung. Ähnlich wie bei Wohlfahrtsmarken
scheint es möglich, an einer wichtigen Sache teilzunehmen, indem man
eine Briefmarke auf einen Brief klebt. Aber damit stellen sie die Frage
nach dem Sinn einer solchen Anteilnahme - gerade im Zeichen von Aids.
Gleichzeitig erscheint dieser Bogen aber auch als signierte und limitierte
Edition für den Kunstsammler.
Johannes Stahl, 12/92
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