Joseph Faßbender

Druckgrafik ist des öfteren ein Bereich der bildenden Kunst, der wenig beachtet wird, allenfalls zur Vervollständigung eines künstlerischen Oeuvres Erwähnung findet und dann in der Regel aus den Beobachtungen heraus erläutert wird, die man anhand anderer, bekannterer künstlerischer Ausdrucksmittel wie Malerei, Skulptur oder Zeichnung bereits gewonnen hat. Für eine künstlerische Position wie die Joseph Faßbenders birgt diese methodische Routine die Gefahr, Entscheidendes gar nicht erst wahrzunehmen. Formale und inhaltliche Komponenten des Druckgrafischen durchziehen sein Werk über fast die gesamte Dauer seiner künstlerischen Karriere, druckgrafische Arbeiten entstehen über die gesamte Lebensspanne hinweg.

Das mag nicht nur daran liegen, dass der gelernte Konditor an handwerklichen und auf Serie hin angelegten Prozessen Interesse hat. Vielmehr erhält Faßbender schon in frühen Jahren renomméträchtige Aufträge, die genau diese Fähigkeiten fordern: die Plakatgestaltungen der zwanziger Jahre sind hier nur Beispiele. Nach dem Krieg, der für ihn wie für viele Bildende Künstler einen entscheidenden Einschnitt auch in gestalterischer Hinsicht markiert, entstehen während seiner Zeit in Alfter zahlreiche Monotypien. Diese das Malerische und Zeichnerische betonenden Einblattdrucke legen ein beredtes Zeugnis ab von der Experimentierfreude dieser Zeit, aber auch vom - materiell bedingten - Zwang zur Improvisation. Kleinteilige Binnenformen ballen sich zu einem eigenen Kosmos aus Figürlichem und Abstraktem, eine überlegte Komposition gibt den Rahmen für zahlreiche Spontaneitäten in den Binnenformen. Ohne eine konkrete Erzählung zu beginnen, haben die Arbeiten etwas Narratives.

Druckgrafische Elemente bestimmen entscheidend auch die Vorgänge seiner späteren Arbeiten, seien es nun Textilgestaltungen, Mosaiken, Wandbilder oder Malerei. Sehr häufig begegnet man einer das Bildfeld zusätzlich begrenzenden Linie: anders als viele seiner Kollegen unterscheidet Faßbender sehr genau zwischen dem Bildträger, dem Bildgrund und dem Bildfeld, in welchem sich die "Handlung" seiner Arbeiten vollzieht. Auch in den zahlreichen Binnenformen kommen sehr typische Elemente des Druckgrafischen zum Vorschein. Schraffuren konturieren beispielsweise die Wirkung von Flächen, verschiedenartig wirkende Farbebenen in den Hintergründen weisen auch im gemalten Bild auf die frühen Experimente Faßbenders im Bereich der Monotypie hin. Aber auch andere Grundlagen aus dem Bereich der Papierarbeiten sind deutlich wahrnehmbar: Collageartige Elemente erinnern nicht nur an die zeittypische "Scherbenwelt", die der zweite Weltkrieg auch in den Anschauungen hinterlassen hatte, sondern auch an die sorgfältige sukzessive Komposition seiner sich aus einzelnen Elementen aufbauenden Papierarbeiten.

Auch das spätere, in den Ausdrucksmitteln erstaunlich vielfältige Werk dieses in seiner Formensprache eher konservativen Künstlers kommt immer wieder auf die Druckgrafik zurück. Lithografien wie das "Hamburger Blatt" reizen auch bei einem recht beschränkten Einsatz der Technik eine verblüffende Vielfalt an Wirkungen aus. Die Arbeit läßt unterschiedlichste Oberflächen ahnen und die Kontraste dieser schwarz-weißen Grafik eine bühnenhafte Räumlichkeit entfalten, in der alles an seinem Ort ist, ohne dass klar wird, wie diese harmonische Zuordnung ihre anhaltende Erzählung beginnt oder endet.

Als Generalist tritt Faßbender nicht nur in den Anwendungsfeldern seiner Gestaltungen auf. Literarische Elemente sind für die Geisteswelt von Joseph Faßbender ebenso prägend wie die verehrten italienischen Renaissancemaler. Dass er ein Blatt "Novalis" betitelt, weist auf sein umfassendes Interesse am Kulturellen allgemein hin. Dass er (gemeinsam mit Hann Trier und Heinz Trökes) unmittelbar nach dem Krieg in Alfter bei Bonn eine Aufführung von Sartres "Die Fliegen" ermöglicht und auch noch die Eintrittskarten selbst entwirft, ist dabei eine sehr bezeichnende Facette dieser reichen Künstlerpersönlichkeit.

Johannes Stahl, 1/05

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