Lisa Cieslik Konsumrealismus - dieses Wort hat mandalaartig seit vielen Jahren die künstlerische Arbeit von Lisa Cieslik begleitet und geprägt. Die in Köln lebende Künstlerin hat ein inniges Verhältnis zu den Ikonen des Konsums, die sich in überbordender Vielfalt täglich in Prospekten finden und von dort als Impuls ihren Weg über die Einkaufskörbe in die Mägen der Menschheit antreten. Auch der Begriff, den sie geprägt hat, um dieses künstlerische Arbeitsfeld zu kennzeichnen, weist Züge des Konsums auf: Rasch entworfen und heftig propagiert, zeigt er sich als klassisches Produkt der Theorieproduktion, welche die zeitgenössische Kunst seit jeher begleitet. Aber spätestens an diesem Punkt fängt der Begriff an, nicht mehr erwartungsgemäß zu funktionieren. Er läßt sich nämlich kaum wirklich definieren, und auch wenn Konsum und Realismus vergleichsweise trennscharfe Begriffe sind, gilt das für den neuen Konsumrealismus kaum noch. Lisa Cieslik hat in Supermärkten gearbeitet und sich dort mit dem nötigen optischen Material für ihre Kunst versehen. Verkaufsprospekte sind auf klare und schnelle Lesbarkeit hin konzipiert. Starke Eigenfarben, optimierte Ansichtsseiten der Produkte, deutlich erkennbare Preise: diesen Vorgaben gehorchen nahezu alle Prospektgestaltungen. Diese bunte Warenwelt überlagert die Künstlerin mit ihren eigenen Bildern. Dazu nutzt sie dem ursprünglichen Druck verwandte, aber einfachen handhabbare Mittel: den Fotokopierer, Kartoffelstempel oder ähnliches. "Freiherr von Schoenaich" ist auf eine solche Weise entstanden. Schematische Gesichter, mit Kartoffeln gedruckt, zeigen Profil auf dem Hintergrund eines buntfarbigen Werbeprospekts. Potenziert wird das Ergebnis noch durch die Versiegelung des Papiers: der verwendete Nitrolack läßt die Bildrückseite in fast gleicher Stärke durchscheinen und gibt dem zuvor zum kurzen Gebrauch und zur ebenso raschen Entsorgung bestimmten Konsumpapier eine zeitlos gültige materielle Qualität. Die geradlinige und gleichzeitig hintergründige Um-Gestaltung von alltäglichen Szenarien aus Waren- und Kunstwelt ist auch ein häufiges Element der Performances von Lisa Cieslik. Ob sie als Krankenschwester im "Who killed Andy Warhol" diesem eine Cola-Infusion legt oder im Rahmen eines Glashausabends im Bonner Kunstverein Prospekte ins Publikum wirft, um sie anschließend durch den Papierwolf zu drehen, während eine Krankenschwester und eine Stewardess Säftchen verteilen, oder ob sie nackt und mit Mehl geschminkt im Schaufenster sitzend Schreibmaschine schreibt: Lisa Cieslik lotet die Untiefen zwischen dem Banalen und dem "kulturell Wertvollen" gründlich aus. Dabei vergißt die selbst ernannte Professorin an der selbst gegründeten alternativen "Ultimate Akademie" keineswegs, daß eine auf Wirkung ausgelegte Vermittlung an ein Publikum, das sie sich keineswegs ausschließlich als Kunstkonsumenten wünscht, immer einer gewissen Leichtigkeit bedarf. Johannes Stahl, 9/2001 |