Felix
Stephan Huber
Ein eigentümlicher
Faden zieht sich durch die Arbeiten des Felix Stephan Huber: sehr häufig
geht es um Orte, fast immer um Zugänge dazu, die sich über technische
Medien vollziehen. Huber richtet sein Augenmerk auf Stellen, die zwar
allgemein geläufig sind, aber dennoch nicht im Mittelpunkt des Interesses
stehen: Fahrstühle, Schlafzimmer, Industriebrachen. Sein bildnerischer
Ansatz ist dabei zunächst der des notierenden Fotografen: unprätentiös
nimmt er mit der Kamera auf, was zu sehen ist. Eine ästhetisierende
Lesart (wie schönes Licht, besonderer Ausschnitt oder extreme Perspektive)
unterbleibt. Häufig hingegen stanzt ein eingebauter Kalender Datum und
Zeit ins Bild: ich war zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort.
Die Beschäftigung
mit dieser Anwesenheit an einem Ort ist ein wesentliches künstlerisches
Thema Hubers. In unterschiedlichen technischen Medien vollzieht er diesen
Zugang: als Foto, im Video, als digitalisierter
Ausdruck von beidem, als kommunikatives Projekt im Internet. Bei der
anfänglichen Verarbeitung des ursprünglichen Materials bleibt es nicht.
In weiteren Ringen umkreist Huber den ursprünglichen Ansatz und bezieht
nicht selten den Betrachter seiner Arbeiten in dieses Gefüge mit ein.
Fotos aus der Enge eines Fahrstuhls geben den optischen Rahmen ab für
akustische Anweisungen, Räume zu betreten oder zu verlassen. Diese von
Lichtschranken ausgelösten Impulse übertragen die im Bild dargestellte
Situation verändernd auf die Situation des Besuchers in einer Ausstellung.
Sieht man oder wird man gesehen?
Während eines
Stipendienaufenthalts in den USA beschäftigt sich Huber mit industriellem
Ödland, welches sich die Natur schon langsam zurückerobert hat. Die
Werkgruppe "Wildlife management" - benannt nach der offiziellen Stelle,
die sich mit diesem Ödland beschäftigt - setzt diese Erfahrungen in
großen Fotoprints und zwei Videobändern um. In "Talking nature" sieht
man zur unregelmäßig an- und abschwellenden Musik einen jungen Mann,
wie er in einer solchen halben Wildnis tanzt, sein Auto daneben. In
Form von Texttafeln, wie aus einem Stummfilm kommentieren Pflanzen und
Straße, Erde und Luft den tanzenden Eindringling. Huber läßt mit der
recht einsam und gleichzeitig absurd wirkenden Performance den Betrachter
außerhalb des Geschehens.
Mit seinem
Projekt "provisional" arbeitet Felix Stephan Huber an bekannten Problemen
und benutzt dafür neue Medien. Nachdem seine Installationen in Ausstellungshäusern
Großfotos von Wohnräumen mit auf dem Boden markierten Liegeflächen zusammengebracht
hatten, ließ er ein Computerprogramm entwickeln, das es jedem ermöglicht,
eine Höchstzahl an Liegeplätzen für seine privaten Räume
auszurechnen. Den Planungszustand der Wohnung vor und nach der Maßnahme
kann man anschließend ausdrucken und den Ausdruck, der eine elektronisch
reproduzierte Signatur Huber enthält, in den entsprechenden Zimmern
anbringen. "Es ist also so, als hätte ich in dem jeweiligen Raum
selbst eine Installation gemacht".
Die Diskette,
die diesen gesamten Prozeß auslösen kann, ist als Edition gemeinsam
mit einem Schwarzweiß-Foto und einem Katalog erschienen und eingebunden
in einen Kommunikationsvorgang mit dem Künstler. Felix Stephan Huber
sammelt die durch sein Programm zustande gekommenen Umgestaltungspläne
für eine Publikation und übt so - neben dem Blick in sehr viele Wohnungen
- auch eine gewisse Kontrolle über den Weg aus, den seine Konzeption
in der Anwendung zurücklegt.
Eine eigentümliche
Strategie der doppelten "Besetzung" kommt mit ins Spiel: ähnliche Programme
werden von Wohnraumsanierern verwendet, um eine maximale Ausnutzung
von Häusern beim Umbau zu erzielen, und solche Maßnahmen bergen oft
genug sozialen Sprengstoff. Andererseits kennt gerade die jüngere deutsche
Geschichte verschiedene Situationen, in denen Notbetten in nicht dafür
vorgesehenen Räumen unterzukommen hatten.
Das Programm
selbst ist für jeden frei kopierbar und bietet daher auch durchaus die
Möglichkeit zur anderer Verwendung. Huber läßt damit der Arbeit zahlreiche
Wege offen, die nicht notwendigerweise im Bereich der bildenden Kunst
enden: möglicherweise wird es ja auch eine erfolgreiche Bereicherung
des unter Kennern kursierenden Spektrums an Computerspielen.
Johannes
Stahl, 5/96
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