Pia
Fries
Es mag ein Risiko sein: wenn man als junge Malerin allmählich bekannt
wird, die innerste und grundsätzliche Anliegen der alten künstlerischen
Technik Malerei auf intensive Weise zum Gegenstand der bisherigen Arbeit
gemacht hat - und dann einen Siebdruck als Jahresgabe herausbringt.
Und auf den ersten Blick mag es wirklich ganz danach aussehen, als würde
diese im auch kommerziell sehr verbreiteten Durchdruckverfahren hergestellte
Arbeit den schlimmsten Vorurteilen gegenüber Druckgrafik gerecht: sie
zeigt die Abbildung einer Malerei - offensichtlich auf fotografischer
Basis zustandegekommen und zudem auch noch vergleichsweise grob gerastert.
Das Bildfeld ist auf technische Weise glatt begrenzt, schneidet gewissermaßen
etwas von der zugrundeliegenden Malerei weg, die Farben leuchten zwar,
sitzen aber flach auf dem recht glatten Papier, während die Abbildung
schon ahnen läßt, daß die zugrundeliegende Malerei die Farbe pastos
aufträgt und bisweilen zu Reliefs anschwellen läßt.
In der Tat: die Ölbilder von Pia Fries lassen immer wieder wegen Elementen
der Malerei aufmerken, die der Siebdruck nur ahnen läßt. Farbe ist das
hauptsächliche Material und gleichzeitig auch der Gegenstand, mit dem
sich die Schweizerin seit längerem befasst. Der Auftrag der Farbe, die
sich zu bunten Gemischen anlagert oder auch in starker Eigenfarbe Akzente
setzt, führt auf der Leinwand immer wieder zu starken Reliefs, zu Rissen
und Überlagerungen. Ein eigentümliches Gefüge aus starker Emotionalität
und einer gewachsenen Sicherheit prägt diese Bildereignisse, die in
der Tat im so frequentierten künstlerischen Bereich der grundsätzlichen
und unfigürlichen Malerei überzeugende Impulse setzt.
Aber ähnlich wie die Malerei von Pia Fries sich erst im langsamen und
wiederholten Hinsehen einem Betrachter wirklich erschließt, läßt der
erste Eindruck ihres Siebdrucks noch nicht sofort ahnen, was sich auf
dieser Fläche noch abspielt. Erst im zweiten Hinsehen erkennt man die
deckend gedruckten ungerasterten Flächenpartien in eierschalweißer Farbe,
die die ursprüngliche (und fotografierte) Malerei zudecken. Fasst man
sie genauer ins Auge, wird malerische und konzeptuelle Feinarbeit sichtbar:
einmal sorgfältig Ränder des Untergrunds nachvollziehend, dann wieder
gestisch Farbflächen verdeckend, breitet sich die helle Fläche aus und
bildet sogar ein - für den Siebdruck typisches - kleines Plateau. Mit
dem von ihr ungewohnten Mittel des Siebdrucks befragt Pia Fries gewissermaßen
die zugrundeliegende Malerei - technisch wie als Material. Und so setzt
sie im anderen Medium die intensive künstlerische Arbeit fort, durch
die ihre Bilder neben der sinnlichen Wirkung der Farben so anhaltend
faszinieren.
J.S. 10/96
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