Andreas
Exner
Daß Bildende Kunst eine Grenzerfahrung sei, ist immer wieder behauptet
und unter Beweis gestellt worden. Entscheidend ist jedoch, wie Künstler
diese Urfrage angehen - als hochchiffrierte Bildformel, als Umgang mit
ungewöhnlichen, gesellschaftlich oft anders besetzten Bereichen, kühn
kalkulierte Vermittlungsstrategie oder als stark betonter Ausdrucksindividualismus.
Und bei allem Fragen nach der künstlerischen Konzeption bleibt entscheidend,
zu welchem sinnfälligen Ergebnis die Werke letztendlich kommen. Andreas
Exners Kunst nutzt keinen dieser Königswege zu jugendlichem Ruhm allzu
ausschließlich und überrascht dennoch immer wieder mit starken, eigenwilligen
und dem eigenen künstlerischen Denken gegenüber absolut verbindlichen
Werken.
Quasi als Grundlinienspiel seines künstlerischen Schaffens begleitet
Exner eine weiße Herrenunterhose. In klassicher Form, so nützlich entworfen
wie optisch unerotisch taucht das Doppelripp-Kultstück in die verschiedenen
Zusammenhänge ein: als Material im Hintergrund eines Fotos,
dessen runder Ausriß den Blick auf sie freigibt, als plastisches Objekt
mit andrsfarbig zugenähten Beinausschnitten in Installationen, als Lampenschrim
gar in einer spezifischen Designedition. Anders aber als viele Kollegen
überhöht Exner sein Erkennungszeichen derart ironisch, daß man die Unterhose
nicht so recht als ästhetisches Problem wahrnehmen kann (wie beispielsweise
den Nagel bei Uecker, die Herdplatten bei Rosemarie Trockel), sondern
als methodisches Hindernis: die weiße Intimwäsche ist und bleibt banal
und ein klein wenig anstößig.
Exner fotografiert oft. Auf den ersten Blick erscheint das Material
beiläufig und nimmt die Position eines nebenbei geführten optischen
Tagebuchs ein. Erst allmählich verdichten sich aus den Serien gewisse
Elemente, welche plastische Funktionsweisen, die eigene Existenzform
und optische Zusammenhänge aufblitzen lassen. Die sichere Hand dieser
Beiläufigkeit - vielleicht entdeckt man sie erst im Rückspiegel der
eigenen Wahrnehmung.
Wenn Exner sich mit dem Siebdruck „5 Minuten beten“ in das Gefilde traditioneller
Druckgrafik begibt, steht kein völlig neuer Künstler vor dem Betrachter.
Die schnelle, kurze und sichere Wahrnehmung ist im Blatt vorhanden,
aber nicht zur Form stilisiert. Sie ist einfach da, ebenso wie die improvisiert
wirkende Optik. Nach den Regel der Werbeästhetik ist das Blatt zu ruppig,
um als Kirchenpropaganda zu gelten, aber auch in den grafischen Merkmalen
des Siebdrucks zu ausgearbeitet, um nur Zufall zu sein. Der Siebdruck
„5 Minuten beten“ widerspricht seiner eigenen verbalen Aufforderung
heftig, verlangt gewiß nach sehr viel mehr als nur der raschen Andacht.
Johannes Stahl. 4/2001
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