Charly Banana

"Eine Farbkomposition kommt immer gut an ..."


Dieser Satz, mit Großbuchstaben unten in ein bewegt-farbiges Bild eingeschrieben, ist bezeichnend für die beredte und ironische Kunst von Charly Banana. Man könnte zunächst denken, da habe jemand ein weiteres Manifest zur Bildenden Kunst in einem Kunstwerk ausgedrückt, ähnlich den Sätzen "Hört auf zu malen" (Jörg Immendorf), "Bilder müssen rot sein, Musik muß laut sein" (Mick Jagger), "Der Fehler fängt schon an, wenn jemand sich anschickt, Keilrahmen und Farbe zu kaufen" (Joseph Beuys) sowie "Alles ist Kunst" oder "Nichts ist Kunst" (Ben Vautier). Charly Bananas Bemerkung weist eine Besonderheit auf: Es geht um das Publikum der Bilder.

Nicht ohne Ironie stellt die Behauptung Mechanismen der Wahrnehmung in den Vordergrund. Farbe wirkt immer, die Werbegrafik - ein Feld, in dem sich Charly Banana ebenfalls betätigt hatte - könnte die Lehrweisheit gewiß bestätigen. Aber ob ausgerechnet Farbkompositionen gut ankommen? Meint "ankommen" denn nun, daß eine Arbeit immer wieder auffällt oder daß sie wirklich stets als schön empfunden wird?

Aber das Publikum, das in der Tat oft Farbiges eher zu schätzen weiß, ist nicht das einzige Ziel von Bananas Festsstellung. Als er 1985 diese Gouache signierte, griff er ein Bildschema wieder auf, das ihn bereits 1981 zu einer Jahresgabe für den Bonner Kunstverein veranlasst hatte. In der Zwischenzeit hatten die "Neuen Wilden" mit ihren großformatigen Ölbildern der figürlichen Malerei wieder viel Aufmerksamkeit zurückerobert und selbst Gerhard Richter, der seit den sechziger Jahren die Realität von Fotografie in seiner Malerei auf Leinwand wiederspiegelte, hatte die Szene mit großfo
rmatigen und bewegten Farbstudien verblüfft. Bananas Ironie ist durchaus doppelbödig: Nicht nur das Publikum, auch seine Künstlerkollegen sind gemeint.

"Eine Farbkomposition kommt immer gut an ..." zeigt rasche, breite Pinselstriche, die nur wenig von der Papierfläche frei lassen. Alle Grundfarben sind mit von der Partie, und sie mischen sich an den Stellen, wo Charly Banana die gleiche Bewegung mehrfach vollzogen hat. Die Richtungen der Pinselstriche scheinen dem Ablauf der Bewegungen zu folgen, eine sorgfältig vorausgeplante "Komposition" von Linie zur Fläche scheint nicht vorausgegangen zu sein. Starke Farben, die mitunter direkt aus der Tube kommen, führen ihr munteres und ein wenig konfuses Eigenleben, mit-, gegen- und durcheinander. Das einzige, was Banana relativ präzise ins Format hineingesetzt hat, ist besagter Satz. Die Großbuchstaben stehen, jeweils einzeln weiß umrandet, vor der Malerei.

Die Arbeit von Charly Banana kann so ihre Ironie mit malerischen Mitteln ausspielen: dem Publikum versetzt sie über das eventuelle Gefallen an der Farbkomposition Impulse, über seine Gewohnheiten nachzudenken - und den Künstlerkollegen ebenfalls.

Johannes Stahl, 1/95