Alighiero
e Boetti
Das Verhältnis
der Gegensätze prägt die Arbeiten eines der einflußreichsten Vertreter
italienischer Kunst: seit den späten 70er Jahren bringt Alighiero e
Boetti diese seiner Denkweise zugrunde liegende Überlegung auch in der
Verbindung seines Vor- und Nachnamens zum Ausdruck.
Boetti wird
häufig im Zusammenhang der "arte povera" genannt, einer Bewegung, deren
sehr grundsätzliche Überlegungen zur Verwendung "armer" und von der
Kunst noch nicht mit zuviel Bedeutung besetzter Materialien wie Stoffreste,
Kohle, Blei oder Sammelholz führten. Gesellschaftliches und Philosophisches
ist immer wieder Thema solcher Arbeiten: gerade der Industriegesellschaft
der 60er Jahre ist auch in anderen Bereichen der Kultur gezeigt worden,
daß sie und ihr Denken den Kontakt zu ihren natürlichen und historischen
Grundlagen zu verlieren drohte.
Titel wie
"Ping Pong", "Zig Zag", "Ordine e Disordine" umfassen die Welt als ein
Zusammenspiel von Gegensätzen. Alighiero e Boetti arbeitet häufig mit
solchen gedanklichen und realen Wechselverhältnissen. So unterschiedliche
menschliche Bereiche wie die jeweilige politische Erdkarte, afghanische
Teppichknüpfer, die diese Welt-Bilder nach Alighieros Entwürfen und
teilweise eigenen Überlegungen in großformatige farbige Wandteppiche
umsetzen sowie Orte, an denen Kunst gezeigt wird, nehmen an dem vom
Künstler angeregten Prozeß teil. Dabei sind diese Arbeiten in ihrer
Farbgebung und Stofflichkeit überraschend sinnlich erfahrbar, während
die sonst im Vordergrund stehende politische Aktualität der Weltkarte
vergleichsweise abstrakt bleibt.
Alighiero
e Boettis Arbeiten verknüpfen auf verblüffende Weise Ansätze des systematischen
Denkens mit einer dem Zufälligen huldigenden Poesie. "Synchronizität
als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge", die Formel des Schweizer Tiefenpsychologen
C.G. Jung, offenbart sich nicht nur als die Feststellung, daß die Gleichzeitigkeit
vieles in unerklärbare Verbindungen bringt. Diese Formel setzt der Künstler
auch in eine Art magischen Quadrats um: die Buchstaben bekommen neben
ihrem Sinnzusammenhang eine Bedeutung als grafische Zeichen; ihre Anordnung
läßt bei aller Systematisierung in der quadratischen Form auch völlig
andere und neue Wörter zu, deren Bedeutung dem Zufall und dem Leser
überlassen bleibt.
Für die Ausstellung,
die 1992 Arbeiten des Künstlers zeigte, hat Alighiero e Boetti ein Plakat
entworfen, das sich jetzt in der Artothek im Bonner Kunstverein befindet.
Es faßt in beispielhafter Weise Elemente seiner künstlerischen Arbeit
zusammen. Ein klassisch-trivialer Bugs Bunny lehnt sich gegen den die
philosophische Formel C.G. Jungs und beißt dabei in die unvermeidliche
Möhre. Eine penibel ausgeführte Bleistiftzeichnung wiederholt den Einband
der Taschenbuchausgabe eines mystischen Buchs von Georges I. Gurdjieff
als Fotokopie. Das Blatt ist neben kleineren Zeichen übersät von zufällig
erscheinenden runden Farbspuren und kleinen Stempeln. Im oberen Bereich
hat durch Knicke laufende Farbe Zeilen geschaffen für die Aufnahme der
Ausstellungsinformationen, während ein Stanzdruck unten zart die Worte
I VEDENTI erkennen läßt, "die Sehenden".
Mit einem
solchen ja auch für die Ausstellung werbenden Plakat macht Alighiero
e Boetti nicht nur neugierig auf seine Ausstellung, sondern führt die
Betrachter gleich ein wenig mit ein in die ihm eigentümliche Welt, in
der Philosophie und sinnliches Erlebnis, Konzeption und Zufall spürbare
und nachdenkenswerte Verbindungen eingehen.
Johannes
Stahl 1/93
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