F.: Ist das alles pure
Schokolade?
Nein, es gibt im Inneren ein Drahtgerüst, auf das Jute aufgezogen ist.
Und diese ist dann mit Schokolade getränkt, die immer stärkere Schichten
bildet, auf der Art Cologne insgesamt 400 kg. Die Skulptur ist aus vier Teilen
aufgebaut, die ich erst vor Ort zusammengesetzt habe. Die Nahtstellen habe ich
mit Schokolade verbunden, so daß am Ende eine große Kugel entstanden
ist. Daß das so aussieht, als sei dann ein Stück heraus gebrochen
(und nach innen gefallen) ist, habe ich von vorne herein geplant.
F.: Was ist das für eine Schokolade?
In diesem Falle waren es normal käufliche Qualitätscouvertüre
à 2,5 kg. Ich arbeite aber auch mit Sponsoren, wenn deren Werbeanliegen
das Erscheinungsbild der Arbeit nicht beeinträchtigen.
F.: Warum Schokolade?
A.: Ich verwende seit langem Schokolade und bin immer wieder darauf gekommen,
weil es sehr spezielle Eigenschaften hat. Das ist zum einen ein interessantes
plastisches Material, weil es alle Sinne gleichzeitig anspricht. In meinen großen
skulpturalen Arbeiten erweist es sich immer mehr als ebenso reizvoll wie schwierig.
Bei dieser großen Plastik habe ich die Schokoladenschicht auch sehr dick
machen müssen, damit das verhältnis von Große und Materialität
stimmt. Man kann mit dem plastischen Material sehr gut und auch sehr schnell
arbeiten, aber es reißt auch im Laufe der Zeit auf.
F: Darf man von dieser Arbeit essen?
A.: Im Grunde habe ich schon viele Arbeiten gemacht, die essbar waren und auch
gegessen werden sollten. Hier habe ich eine Skulptur gemacht, die nicht während
der Ausstellung zerstört werden soll, Natürlich ist die Versuchung
groß und ich sehe und akzeptiere auch, daß Stückchen fehlen.
Aber ich hoffe nicht, daß das so weit geht, daß man die Jute durchscheinen
sieht.
F.: Ein wenig sieht das so aus wie ein Überraschungsei: Außen dunkelbraune
Schokolade, innen weiße. Ist das bewußt so?
A.: Ich bin wahrscheinlich auch Kind meiner Zeit. An Ü-Eier hatte ich aktuell
aber nicht gedacht, auch wenn sie in meinem Hinterkopf natürlich präsent
sind. Eher an Kokosnüsse: Mir ist der Unterschied zwischen der glatten,
hellen und auch optisch empfindlichen Innenseite und der rauheren, dunklen Oberfläche
außen sehr wichtig.
F.: Im Inneren zeigen sich aber auch kleine Männchen aus Marzipan?
A.: Man muß genau hinsehen. Es sind mindestens genau so viele Frauen dabei.
Die Paare spielen das gesamte Spektrum zwischenmenschlicher Beziehungen zwischen
Liebe und Streit durch. Mir ist wichtig, daß das relativ normal ist, wie
im richtigen Leben. Daß Männer und Frauen im Grunde sehr ähnlich
sind, hat nicht nur mit den Modeln zu tun, aus denen ich sie forme. Im Bild
"Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch sind sich Mann und Frau
ebenfalls sehr ähnlich, und man muß genau hinsehen, was sie miteinander
treiben, und mir kommt es auf die Masse an. Dort steht neben der Lust auch immer
die Sünde. Mir ist wichtig, daß diese zwei Möglichkeiten derselben
Sache auch immer beide vertreten sind. Und die Figuren begeben sich auch in
die unterschiedlichsten Situationen, auch in bedrohliche. Manche haben Lust
auf Sex, aber andere stürzen auch ab.
F.: Geht es deshalb in Deinen Zeichnungen oft so grausam zu?
A.: Wer einen Hasen essen will, muß ihn schlachten: so ist das oft. Aber
meine Zeichnungen ziehen auf den ersten Blick Betrachter erst einmal mit ihren
luftigen Farben an. Erst später entdeckt er in den Details die Grausamkeiten.
Auch mir selbst geht das beim Zeichnen so: wenn ich den Eindruck bekomme, das
wird jetzt zu positiv, kommen in den Kreislauf rasch wie von selbst einige negative
Elemente hinzu. Es gibt ja auch diese Tradition der Stilleben: neben der Schönheit
ausgebreiteter Esswaren und Reichtümer sieht man auch immer den Tod.
F.: Was geschieht mit Deiner Arbeit, wenn die Messe vorbei ist?
A.: Montag wird es diese Skulptur nicht mehr geben. Es ist auch zu aufwändig,
sie zu transportieren. Die verwendete Schokolade werde ich als Rohmaterial weiter
benutzen, um damit andere Sachen auszuprobieren. Aber essen kann man sie wohl
nicht mehr.
Das Gespräch
wurde per Telefon geführt und anschließend von der Künstlerin
autorisiert.