Gespräch mit Sonja Alhäuser am 3.11.2001

F.: Ist das alles pure Schokolade?
Nein, es gibt im Inneren ein Drahtgerüst, auf das Jute aufgezogen ist. Und diese ist dann mit Schokolade getränkt, die immer stärkere Schichten bildet, auf der Art Cologne insgesamt 400 kg. Die Skulptur ist aus vier Teilen aufgebaut, die ich erst vor Ort zusammengesetzt habe. Die Nahtstellen habe ich mit Schokolade verbunden, so daß am Ende eine große Kugel entstanden ist. Daß das so aussieht, als sei dann ein Stück heraus gebrochen (und nach innen gefallen) ist, habe ich von vorne herein geplant.
F.: Was ist das für eine Schokolade?
In diesem Falle waren es normal käufliche Qualitätscouvertüre à 2,5 kg. Ich arbeite aber auch mit Sponsoren, wenn deren Werbeanliegen das Erscheinungsbild der Arbeit nicht beeinträchtigen.
F.: Warum Schokolade?
A.: Ich verwende seit langem Schokolade und bin immer wieder darauf gekommen, weil es sehr spezielle Eigenschaften hat. Das ist zum einen ein interessantes plastisches Material, weil es alle Sinne gleichzeitig anspricht. In meinen großen skulpturalen Arbeiten erweist es sich immer mehr als ebenso reizvoll wie schwierig. Bei dieser großen Plastik habe ich die Schokoladenschicht auch sehr dick machen müssen, damit das verhältnis von Große und Materialität stimmt. Man kann mit dem plastischen Material sehr gut und auch sehr schnell arbeiten, aber es reißt auch im Laufe der Zeit auf.
F: Darf man von dieser Arbeit essen?
A.: Im Grunde habe ich schon viele Arbeiten gemacht, die essbar waren und auch gegessen werden sollten. Hier habe ich eine Skulptur gemacht, die nicht während der Ausstellung zerstört werden soll, Natürlich ist die Versuchung groß und ich sehe und akzeptiere auch, daß Stückchen fehlen. Aber ich hoffe nicht, daß das so weit geht, daß man die Jute durchscheinen sieht.
F.: Ein wenig sieht das so aus wie ein Überraschungsei: Außen dunkelbraune Schokolade, innen weiße. Ist das bewußt so?
A.: Ich bin wahrscheinlich auch Kind meiner Zeit. An Ü-Eier hatte ich aktuell aber nicht gedacht, auch wenn sie in meinem Hinterkopf natürlich präsent sind. Eher an Kokosnüsse: Mir ist der Unterschied zwischen der glatten, hellen und auch optisch empfindlichen Innenseite und der rauheren, dunklen Oberfläche außen sehr wichtig.
F.: Im Inneren zeigen sich aber auch kleine Männchen aus Marzipan?
A.: Man muß genau hinsehen. Es sind mindestens genau so viele Frauen dabei. Die Paare spielen das gesamte Spektrum zwischenmenschlicher Beziehungen zwischen Liebe und Streit durch. Mir ist wichtig, daß das relativ normal ist, wie im richtigen Leben. Daß Männer und Frauen im Grunde sehr ähnlich sind, hat nicht nur mit den Modeln zu tun, aus denen ich sie forme. Im Bild "Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch sind sich Mann und Frau ebenfalls sehr ähnlich, und man muß genau hinsehen, was sie miteinander treiben, und mir kommt es auf die Masse an. Dort steht neben der Lust auch immer die Sünde. Mir ist wichtig, daß diese zwei Möglichkeiten derselben Sache auch immer beide vertreten sind. Und die Figuren begeben sich auch in die unterschiedlichsten Situationen, auch in bedrohliche. Manche haben Lust auf Sex, aber andere stürzen auch ab.
F.: Geht es deshalb in Deinen Zeichnungen oft so grausam zu?
A.: Wer einen Hasen essen will, muß ihn schlachten: so ist das oft. Aber meine Zeichnungen ziehen auf den ersten Blick Betrachter erst einmal mit ihren luftigen Farben an. Erst später entdeckt er in den Details die Grausamkeiten. Auch mir selbst geht das beim Zeichnen so: wenn ich den Eindruck bekomme, das wird jetzt zu positiv, kommen in den Kreislauf rasch wie von selbst einige negative Elemente hinzu. Es gibt ja auch diese Tradition der Stilleben: neben der Schönheit ausgebreiteter Esswaren und Reichtümer sieht man auch immer den Tod.
F.: Was geschieht mit Deiner Arbeit, wenn die Messe vorbei ist?
A.: Montag wird es diese Skulptur nicht mehr geben. Es ist auch zu aufwändig, sie zu transportieren. Die verwendete Schokolade werde ich als Rohmaterial weiter benutzen, um damit andere Sachen auszuprobieren. Aber essen kann man sie wohl nicht mehr.
Das Gespräch wurde per Telefon geführt und anschließend von der Künstlerin autorisiert.