Auch in Deutschland sollte die Orientierung der Artotheken nach Leitbildern überdacht werden

Die folgenden Überlegungen resultieren aus eigenen Beobachtungen im Leihverkehr, der intensiven Auseinandersetzung verschiedener Seminare mit dieser Thematik sowie der Lektüre eines sehr nachdenklichen Artikels von Claire Tanguy über die französischen Artotheken. Eine Perspektivdiskussion ist andererseits überfällig. Schliesslich argumentieren einige Schliessungsargumente gerade mit der in betriebsamer Routine erstarrten Unbeweglichkeit der in die Jahre gekommenen Leitbilder. Dieser Text geht daher von jenen Modellen aus, an denen sich Artotheken orientiert und entwickelt haben.

Leitbild Kunstsammlung

Das in der Werbung von Artotheken wohl verbreitetste Darstellungsmuster ist das der Kunstsammlung. Dieses Muster hat Vorteile, weil Museen als Kunstorte generell bekannt sind, aber auch Nachteile, weil sich längst nicht alle Erwartungen einfach auf Artotheken übertragen lassen. An den Punkten, die Unterschiede aufweisen, entsteht somit ein mitunter großer Erläuterungsbedarf, dem die Artotheken bislang nicht viel entgegen setzen konnten. Es soll daher nur als erster Versuch gelten, wenn stichwortartig einige Anforderungen an Museen auch auf Artotheken hin befragt werden.

Abdeckung der verwendeten Medien der Kunst

Viele EntleiherInnen erwarten beim ersten Besuch in einer Artothek das, was landläufigen Erwartungen gegenüber Kunst geläufig ist: Ölbilder und Skulpturen. Dass Artotheken aus praktischen Gründen recht viel Druckgrafiken haben und aus eben solchen praktischen Gründen meist keine großformatigen Gemälde und Skulpturen, muss immer erst erläutert werden, um einzuleuchten. Neben solchen Gründen der Handhabung und der Lagerung sind hier allerdings auch ideologische Traditionen am Werk. Artotheken entstanden aus dem Impuls, Kunst auf breitem Niveau zugänglich zu machen, ebenso wie Multiples, der Grafikboom der 1960er-Jahre oder die Erweiterung von klassischen Strukturen, vor allem dem Museum, in den Alltag hinein. Aus heutiger Sicht waren diese Entwicklungen nur teilweise erfolgreich. Das Publikum erwartet in der Regel beim Besuch von Artotheken einen Kunstort klassischer Prägung, wo Zeit, Raum und Geldmittel keine das Erlebnis von Kunst einschränkende Rolle spielen. Wie eng es mitunter zugeht, wie stark das Angebot von Artotheken durch praktische Vorgaben eingeschränkt ist, erzeugt zunächst einmal nur Verwunderung. Im zweiten Blick wird man schlimmerenfalls die Artothek als einen Kunstort zweiter Klasse empfinden.

Für die verwendeten Medien ergeben sich daraus folgende Handlungsmöglichkeiten:

1. Man betont die spezielle Struktur der Artotheken

Hierzu kann die Herkunft aus den Demokratisierungstendenzen ebenso ein Argument sein, das durchaus positiv besetzt ist. Mehr versprechen wird die umfassende und offensive Information über das hauptsächliche Angebot. Die bloße Begriffsprägung (der nur mäßig erfolgreiche Begriff "Graphothek" versuchte das ebenfalls) reicht dabei nicht aus. Dringend nötig ist eine präzise Kampagne, welche gerade die Vielfalt der druckgrafischen Medien als das reiche Feld herausstellt, das es in der Tat ist - und das es noch zu entdecken gilt.

2. Man ändert das Angebot und nimmt bewusst (notwendigerweise wohl eher wenige) Arbeiten auf, die das Spektrum der erwarteten Medien abrunden. Dass Sachzwänge diese Möglichkeiten begrenzen, leuchtet dann besser ein. Andererseits gibt es gute Gründe, ein solches Modell nicht zu stark zu erweitern, denn eine Vielzahl kleinerer konservatorischer Arbeiten kann den Betrieb einer Artothek völlig lahm legen.

Abdeckung der Stile und Strömungen (und damit repräsentativer Erwartungen)

Popularität ist eine Spätfolge des Bekanntwerdens. So sind heute Stile und Strömungen allgemein bekannt (und daher beliebt), die vor mehr als einem halben Jahrhundert aktuell und kontrovers waren. Die Diskussion, wie und was ein Museum sammeln sollte, ist dabei so alt wie die Einrichtung selbst. Dabei konkurrieren eher konservative Leitbilder ("Museen sollen bewahren und daher sammeln, was schon allgemein gültig ist") mit solchen, die Museen als Katalysator der Kunstentwicklung sehen ("Wer, wenn nicht das Museum, kann junge Kunst möglich machen, für die der Markt kein Interesse hat"). Ein weiteres profilbildendes Modell ist der jeweilige Ursprung eines Museums. Zahlreiche ehemalige Privatsammlungen oder Künstlernachlässe bilden den Grundstock eines Museums, das anschließend seine Sammeltätigkeit auf dieses Gebiet konzentriert.

Nicht nur solche Fragen der Sammlungspolitik sind auf Artotheken übertragbar und können zur jeweiligen Profilbildung genutzt werden (Gerd Arntz in Remscheid, Pop Art in Bremen). Die besondere Struktur und die Funktion von Artotheken muss fragen lassen, ob sie nicht auch ein eigenes Profil der Sammeltätigkeit entwickeln können.

1. Inhaltlich gesehen, könnten partizipative Tendenzen hier interessant sein oder Kunst die sich mit dem privaten Umfeld beschäftigt. Auch die Tatsache, dass Artotheksbilder ständig auf Wanderschaft sind oder die oft ausgeprägte interaktive Komponente bilden Ansatzpunkte.

2. Angesichts der schwachen Bekanntheit von Artotheken stellt sich jedoch die Frage, ob ein inhaltlich ausgerichtetes Profil überhaupt im Bereich größerer Publikumsschichten Aussicht auf Erfolg hat. Anders gesagt: wofür Kunstmarkt und Museen bereits ein Interesse geschaffen haben, das wird sich möglicherweise einfacher vermitteln lassen. Kunst, die sich als kompensatorische Ergänzung versteht zu diesen das landläufige Bewusstsein bereits bestimmenden Faktoren, wird es mit Sicherheit schwerer haben .

Aktualität

Für jede Galerie, jeden Kunstverein oder jedes Museum ist es ein erhebendes Gefühl: die KünstlerInnen, welche man vor Jahren (womöglich als Erste) gezeigt, gefördert oder gesammelt hat, als Preisträger wichtiger Auszeichnungen wieder zu sehen. Ein solcher Erfolg ist nicht nur gut für das Selbstbewusstsein. So entwickelt sich auch ein Prädikat und schliesslich ein Kriterium für eine an Aktualität orientierte Sammlungstätigkeit, deren Voraussicht nicht nur Fachkreisen vermittelbar ist, sondern auch finanziell ausgerichteten Überlegungen unmittelbar einleuchtet.

Ein entscheidender Nachteil ist, dass man auf dem Weg zu dem keineswegs garantierten Erfolg insbesondere die Durststrecken teilt. Aktuelle Kunst ist schwerer zu vermitteln als etablierte, und das Aktuell-sein ist als öffentlichkeitswirksames Argument stets dem Verdacht des Elitären ausgesetzt. Andererseits argumentieren zahlreiche Kunstförder-Ideen mit Aktualität, sodass man hier auf institutionelle, zumindest aber argumentative Hilfe hoffen kann.

Publikumsgeschmack

Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist es längst eine kaum zu hinterfragende Gewissheit: die Publikumsbeteiligung wird in Einschaltquoten gemessen. Masse bedeutet Erfolg, und der zunehmende Druck vonseiten der privaten Sender verstärkt diese Gesetzmäßigkeit noch. Ausnahmen werden - schon rein sprachlich- als kulturelle oder regionale "Fenster" markiert. Den Rest regelt das Goethe-Zitat "Wer vieles gibt, wird manchem etwas geben."

Ein aus der Kunst heraus argumentiertes Leitbild für Artothekssammlungen wird eine solche Herangehensweise kaum sein können. Allerdings ist der Vergleich zu den Massenmedien hilfreich. Unter dem Druck einer ausschließlich publikumsorientierten Sammlungsweise, wie sie privat strukturierte Kunstverleih-Einrichtungen zu Grunde legen, sehen sich gerade in den Niederlanden einige der öffentlichen Artotheken. Für eine so wenig beachtete kulturelle Einrichtung wie die Artothek entsteht in diesem Konflikt zweier möglicher Leitbilder ein Dilemma.

Diskursnähe

Innerhalb der jeweils zeitgenössischen Diskussion um Kunst haben sich bislang Artotheken selten intensiv eingemischt. Gerade für die 1990er-Jahre, als publikumsorientierte Ansätze, Warentauschprozesse oder Informationsstrategien wichtige Begriffe der Diskussion wurden, verwundert es, dass Artotheken diese Elemente, mit denen sie im Grunde von Beginn an als Kunstinstitutionen umgingen, nicht aufgegriffen haben. Wahrscheinlich ist, dass man einerseits die Nähe einer stark diskursiv orientierten Kunst scheute, um nicht in den Ruf des Elitären zu geraten. Eine zweite Erklärung ist viel banaler, aber auch nicht unwahrscheinlich. Möglicherweise hat man überhaupt nicht wahrgenommen, was in den Bereichen zeitgenössischer Kunstentwicklung vor sich ging. Immerhin ist die Artothek für die übergroße Mehrheit der hier Arbeitenden keine Vollzeitbeschäftigung, eine zeitaufwändige und überdies selbst finanzierte Reise zur Documenta etwa keineswegs die Regel. Auf Grund dieses Hintergrundes ist es schon bemerkenswert, wenn eine Gruppe französischer ArtothekarInnen sich 2002 auf eine gezielte Reise zur Documenta begeben hat, gefördert von ihren eigenen Institutionen und dem Goethe-Institut.

Auch wenn wahrscheinlich eine solche Diskursnähe als verbreitetes Leitbild für die Artothek zweifelhaft bleiben wird, als grundsätzlichen Faktor sollte man sie möglicherweise doch einplanen. Mangelnde Kompetenz und fehlende Aktualität im ureigensten Sachgebiet hat schon öfter als Schliessungsgrund für Artotheken herhalten müssen.

Erschwinglichkeit

Von jeher haben Artotheken im Preisgefüge der Zeitgenössischen Kunst mit den Kosten argumentiert. Sei es, dass man für wenig Geld bei Beschränkung auf multiplizierte Kunst eine beachtliche Sammlung anlegen kann, sei es, dass die präsentierten Arbeiten partout nicht das ebenso verbreitete wie falsche Vorurteil bedienen können, dass sich Preise für Kunst grundsätzlich jenseits jeder Vorstellbarkeit bewegen: dass Artotheken mit eher preiswerten Kunstwerken umgehen, hat einige Gründe für sich.

Von Nachteil ist jedoch, dass damit gerade der gegenüber Artotheken verbreiteten Vorwurf bedient wird, sie hätten nur zweitrangige Kunst. Wenn man also den traditionellen Anspruch der Artotheken auf preiswerte Kunst aufrecht erhalten möchte, sollte man auch entsprechende inhaltliche Argumentationen nutzen. Anderenfalls ist nicht einzusehen, weshalb ausgerechnet öffentliche (und subventionierte) Sammlungen das billigste kaufen, um Kunst zu besitzen. In diesem Falle müsste man geradezu umgekehrt fordern, dass Artotheken die Kunst anbieten, die wirklich schwer zu erwerben, rar und wertvoll ist.

 

Leitbild Galerie

 

Transparenz des jeweiligen Auswahlmodus

Zahlreiche Artotheken stehen überhaupt nicht in diesen Zwiespälten dieser quasi musealen Sammlungspolitik. Sie arbeiten mit Leihgaben vonseiten der KünstlerInnen, verkaufen diese auch problemlos weiter und haben auf diese Weise ein sich stets änderndes Angebot. So positiv ein solcher Modus auch im Bezug auf seine Flexibilität ist, die Frage nach einem Leitbild und einem daraus resultierenden Profil stellt sich hier auch. Denkbar sind sehr zahlreiche Leitbilder; zwei seien im Folgenden angesprochen.

Nähe zu KünstlerInnen

Wo KünstlerInnen das Angebot der Artothek selbst bestimmen, ist in der Regel eine Nähe zum Produktionsprozeß vorhanden - zumindest dem eigenen. Genau das kann allerdings zum Problem werden. Wo die Artothek wie eine Selbsthilfemaßnahme der Künstler erscheint, reduziert sie sich rasch auf die "Geschäftsidee" - mit der Folge, dass das Publikum die dort vertretenen KünstlerInnen nicht wegen ihrer Kunst schätzt, sondern als kluge (oder gar schlaue) VermittlerInnen der eigenen Sache, deren Arbeiten praktischerweise besonders einfach verfügbar ist. Günstig ist in diesem Falle, dieses spezielle Profil offensiv zu argumentieren. Ein mit der Zeit im Sehen immer geübteres Publikum wird zunehmend die Unterschiede zu einer eher musalen Sammlung klar sehen. Besser, wenn man sie bereits im Vorfeld markiert hat.

Verkaufsangebot

Dass Benutzer oft erstaunt fragen, wie sich das Verleihen überhaupt rechnet, sind ein weit reichendes Indiz: die Vorgänge in einer Artothek stellt man sich häufig genug vor allem profitorientiert vor. Neben der (offensichtlich leichter glaubhaften) Nähe zur Kunst erwartet man Gewinnorientierung, erfolgsversprechende Geschäftskonzeptionen. Da das durch die offensichtlich niedrigen Leihgebühren unwahrscheinlich erscheint, liegt als nächste Frage die nach dem Verkauf nahe.

Ganz Ähnliches spielt sich mitunter im politischen Feld ab: der gute Kostendeckungsgrad oder gar die Profitabilität sind häufig im Vordergrund stehende Erwartungen aus Verwaltungen und politischen Gremien.

Auch wenn Artotheken in aller Regel kein Geschäft sind, ist es mitunter richtig, geschäftliche Erfolge - wenn man sie in Teilbereichen wie der Firmenentleihe oder dem gelegentlichen Bildverkauf erzielt - zu benennen. Vorrang sollten aber diejenigen Argumente haben, die das Vermittlungsanliegen in den Vordergrund stellen: das "Kerngeschäft" ist kein kommerzielles. Bewährt hat sich auch, gelegentlich erzielte Gewinne in einen einleuchtenden Zusammenhang dieses Hauptzwecks zu stellen: ausnehmend hoch ausfallende Leihgebühren oder Spenden beispielsweise, um ein bestimmtes Projekt wie eine Einzelausstellung oder einen Katalog zu verwirklichen; Verkaufserlöse, um neue Arbeiten kaufen zu können.

 

Leitbild Bildungseinrichtung

Dass gerade in den letzten Jahren zunehmend Volkshochschulen Artotheken gegründet oder eingerichtet haben, ist nicht nur ein aktueller Trend. Seit es Artotheken gibt, vor allem aber, seit sie in Bibliotheken integriert sind, haben sich Artotheken als Bildungseinrichtungen verstanden. Dabei reicht das Spektrum weit. Lexikalisches Überblickswissen bieten auch das Museum oder die Fachbuchabteilung der Bibliothek, Die bewusst sozial ansetzende Argumentation des "Kunst für alle" siedelt die Bildungsfunktion genau an den Personenkreisen an, die sonst vom Museum oder den Winkelzügen der Kunsttheorie eher abgehalten werden. Aus diesen Gründen hatte man z.B. in der ehemaligen DDR auch kontingentweise Reproduktionen aus der gesamten Kunstgeschichte etabliert. Seltener sind dagegen die Fälle, wo Artotheken direkt mit Schulen zusammenarbeiten oder gar wie in zahlreichen Universitäten vor allem in den USA oder Frankreich als eine Art "Lehrbildsammlung fungieren. Noch seltener ergibt sich daraus eine weiter führende Beschäftigung mit künstlerischen Inhalten, die didaktisch argumentieren. Dabei ist die Rolle gerade von KünstlerInnen in dieser lehrenden Ausrichtung von Artotheken erheblich gewesen.

Ähnlich aber wie in der durchaus denkbaren Zusammenarbeit mit Museen gibt es für Artotheken offensichtlich (mitunter zunächst unsichtbare) Schranken. Nicht nur das breite Spektrum an Kunst, das üblicherweise in Artotheken vorhanden ist, scheint dabei abzuschrecken. Auch die andere Ausbildung der dort Arbeitenden scheint es für Bibliothekare, Lehrer und Kunstexperten gleichermassen schwer zu machen, sie als Gesprächspartner auf Augenhöhe zu akzeptieren.

Ganz wesentlich ist abschliessend ein wichtiges Moment: "Bilder" und "Bildung" haben mehr gemeinsam als die ethymologische Wurzel. Das gilt auch, wenn die von Kunst ausgehende bildende Wirkung nicht in "12 leichtfassbaren" Schritten vor sich geht und ein konkretes und allgemein nachvollziehbares Ziel hat, sondern wenn Kunst eine "aufbauende" Wirkung entfaltet, die in Skalen kaum zu messen ist und dennoch existiert.

 

Leitbild kultureller Dienstleister

Bürgernähe

Artotheken sind Dienstleister. Kundenorientierung und die Bereitschaft, auch Unmögliches möglich zu machen, sind hier auch anderswo im tertiären Sektor Leitbilder. Für eine Artothek könnte dieses "Unmögliche" nicht nur im flexiblem Umgang mit den KünstlerInnen und EntleiherInnen bestehen, sondern durchaus auch einmal in einer völlig unerwarteten Aktion: ein Prominenter ist zu Gast, man hat sich für einen daran interessierten Entleiher einmal nach Informationen über einen bestimmten Künstler umgehört, man veranstaltet gemeinsam mit EntleiherInnen einen "Salon", man stattet das städtische Krankenhaus oder das Standesamt aus ... . Solche Ereignisse schaffen nicht nur auf persönlicher Ebene ein gutes Klima, sondern erzeugen auch öffentlich ein kulturelles Profil, das sich von anderen Dienstleistern, aber auch von anderen Kulturträgern deutlich abheben kann. Diese Möglichkeiten sollte man sich durch die "Konkurrenz" bestätigen lassen: wenn der Museumsdirektor den Gang in die Artothek empfiehlt, ist nicht nur eine Nobilitierung wahrscheinlich, sondern auch eine Schärfung des Profils.

Entscheidungen und Kompetenz

Die MitarbeiterInnen von Artotheken sind oft in einer Zwickmühle: fachlich hoch versiert und nicht selten ebenso motiviert, aber andererseits in Abläufe eingebunden, die diese Fähigkeiten nicht nutzen. Dass beispielsweise ArtotheksmitarbeiterInnen mitunter bei Ankäufen kein Stimmrecht haben, wohl aber alle politischen Fraktionen vertreten sind, hat aus der Sache heraus keine einleuchtenden Gründe für sich. Dass ArtothekarInnen bei Ausstellungseröffnungen in Ihrem Haus nicht die Gastgeberrolle haben, daß ihre Namen bei veröffentlichten Texten nicht stehen sollen (und dergleichen mehr), sind nicht nur Auswüchse eines grundlos hierarchischen Denkens, sondern auch ein Warnsignal. Man wird ihnen auch keine Stimme geben, wenn es um Konflikte geht, weil man in der Öffentlichkeit auch vorher noch nichts von ihnen gehört hat.

Warum nicht im Gegenteil: die ArtotheksmitarbeiterInnen als Berater bei Ankäufen im Museum, als Projekte-Schmiede fürs Kulturamt? Als Berater (und gegebenenfalls Autoren) für die KünstlerInnen, deren Arbeit sie schon so lange begleiten, als kommunale Art Consultants oder Jurymitglieder für Kunst im öffentlichen Raum? Völlig utopisch ist das nicht, viel öfter als man denkt, ist das Potential vorhanden. Und wenn man erst einmal wahrnimmt, wer wirklich diese Funktionen wahrnimmt, liegen Chancen der Profilierung für Artotheken und ihre Mitarbeiter sehr nahe.

Wenn erst einmal eine solche Möglichkeit für Artotheken und ihre MitarbeiterInnen Realität ist – und das ist zugegebenermassen noch in weiter Ferne – dann können diese ohne triftigen Grund am Rand stehenden Institutionen auch freier auftreten und mehr von ihrem Potential abrufen – als museale Einrichtung, in galerieartiger Funktion oder schlichtweg als kultureller Dienstleister.

Johannes Stahl