Aufbau, Organisation und Ziele von Artotheken - ein Überblick
Für Artotheken und Graphotheken existieren sehr zahlreiche unterschiedliche Modelle. Auch wenn es übergreifende Voraussetzungen für Vieles gibt, erweisen sich im Laufe der Zeit auch goldene Regeln als erneuerungsfähig - und zudem selten auf jeden Einzelfall anwendbar. Die folgenden Bemerkungen stammen aus dem Jahr 1994 und wurden 2001 aktualisiert. Sie gehen insbesondere auf Erfahrungen zurück, die in der Artothek im Bonner Kunstverein gemacht wurden - sowie auf die Hinweise und Ratschläge zahlreicher Kolleg/innen aus dem Kunstverleih.
Ebenso zahlreich wie die Modelle für eine Artothek sind die technischen Ausstattungsmöglichkeiten. Aufgrund der Erfahrungen, die zahlreiche Artotheken über Jahre hin gemacht haben, sind jedoch folgende Voraussetzungen sinnvoll. In der Regel lagern und verleihen Artotheken Kunst von einigem Wert. Ein dafür ausreichender verschließbarer Raum ist eine unbedingte Voraussetzung. Er sollte den Gegebenheiten von Kunst entsprechen und nicht feucht sein sowie den Kunstwerken Schutz vor Sonneneinstrahlung gewährleisten und für die richtige Lagerung der ungerahmten Arbeiten abschließbare Grafikschränke bieten. Für den Verleih benötigt jede Artothek Arbeitsflächen zum Verbuchen und Verpacken, also mindestens einen Schreibtisch und einen Packtisch. Dort wo die Artothek nicht unter einem Dach mit einer anderen Institution beheimatet ist, die selbst Kunst zeigt, sollte zudem ausreichend Wandfläche vorhanden sein, um die ausleihbaren Bilder oder geeignete Ausstellungen präsentieren zu können: Kunst lebt vom Angesehen-werden. Da für jede Sammlung ausleihbarer Kunst auch schriftliches Material (Kataloge etc.) angeboten wird und der Umgang mit Kunst immer auch Zeit benötigt, ist eine Sitzmöglichkeit für die Entleiher ebenfalls sehr sinnvoll. Die Verwaltung einer Artothek kann selten auf Dauer nebenbei in einem anderen Betrieb geschehen, die Ausstattung eines eigenen Büros sollte daher auf jeden Fall vorhanden sein. Sinnvollerweise zählen dazu neben Telefon, PC auch ausreichend Platz für die Registratur und Verbuchung
Sinnvoll ist - soweit die Räume das zulasssen - eine klare Trennung von Verwaltungsbereich und dem Raum für die Präsentation. Das geschieht in vielen Fällen durch eine Theke, auf der auch die Kunstwerke verpackt werden - und die im Inneren Platz für Verpackungen und Kunstwerke bietet. Registratur und die Lagerung der ungerahmten Kunstwerke sollte sicherheitshalber außerhalb des für das Publikum zugänglichen Bereichs liegen.
Artotheken befinden sich in sehr unterschiedlichen Trägerschaften. Der Großteil ist als Abteilung einer Stadtbücherei unmittelbar und damit dem städtischen Kulturamt mittelbar unterstellt. Vor allem jüngere Konzeptionen suchen eine direktere Anbindung dieser auf Kunst spezialisierten Institutionen an die Kulturverwaltung. Eine unabhängige Artothek ist dabei jedoch bislang die Ausnahme; in der Regel befindet sich die Artothek unter dem Dach einer anderen Institution. Das gilt auch für Artotheken im Kunstverein. Hier gesellt sich jedoch oftmals zum Vorteil, innerhalb einer auf Kunst spezialisierten Institution agieren zu können der Nachteil, daß Arbeitsstellen oft nicht abgesichert sind. Eine weitere Konstruktion in diesem Zusammenhang sind die Artotheken im Museum, die in der Regel unter Zuhilfenahme der museumseigenen Infrastruktur von einem Verein betrieben werden. Gerade für ländliche Bereiche kann dabei eine Artothek zentrale Bedeutung erhalten und in größerem Umfang mit der Kunstsammlung z.B. des Landkreises identisch sein. Artotheken tragen zur kulturellen Bildung und Versorgung mitunter entscheidend bei. Da dieser Umstand aber erst mittelfristig zu einem Prestigefaktor werden kann, sollte bei der Neugründung und beim Aufbau in jedem Falle auf eine berechenbare Finanzierung und vor allem eine Absicherung der personellen Situation Wert gelegt werden. Ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel geht das in der Regel nicht - und schließlich profitiert in erster Linie die Öffentlichkeit von dem kulturellen Angebot einer Artothek.
Wenn man nur die kaufmännische Sichtweise gelten läßt, ist der Verleih von Kunstwerken ein Zuschußgeschäft. Die Gemeinnützigkeit von Artotheken steht wegen ihrer unbestreitbaren Verdienste in der Vermittlung von Kultur jedoch kaum in Frage. Da sie jedoch Einnahmen erzielen und vor allem mit zum Teil hohen Werten hantieren, sei hier kurz auf die Besitzverhältnisse eingegangen. Artotheken haben unterschiedliche Umgangsweisen mit den verleihbaren Arbeiten - wobei modellartig die Museums- bzw. Büchersammlung einerseits, andererseits der Kunsthandel Pate stehen. In letzterem Falle werden die Kunstwerke verliehen und auf Kommissionsbasis verkauft. Das bildet in sich eine stimmige Möglichkeit, zeitgenössische Kunst zu vermitteln - und dabei auch für Künstler Kunden zu werben. Die Nachteile dieses Verfahrens sind, daß in der Regel keine geschlossenen Sammlungen entstehen, und daß die Artothek ständig auf Neues von Seiten der für dieses Verfahren aufgeschlossenen Künstler angewiesen bleibt. Die Alternative - eine langsam aufgebaute und in sich schlüssige Sammlung - zeichnet sich durch eine bessere Vermittelbarkeit aus - man kann einzelne Arbeiten mit beschreibenden Texten begleiten und auch Querverweise in diesem so entstehenden Geflecht zeigen. Ähnlich wie in musealen Sammlungen ist höchste Vorsicht geboten, wenn einzelne Stücke der Sammlung wieder entnommen werden sollen - auch wenn eventuelle Wertsteigerungen oder auch konservatorische Überlegungen das nahelegen. Der Prestigeverlust ist oft erheblich, der kurzfristige Gewinn kann zur Dauererwartung gegenüber der Artothek führen. Das Sammeln von Kunstwerken wird als eine der spektakulären Funktionsweisen von Artotheken gesehen; daß eine im besten Sinne öffentliche Sammlung wächst, interessiert und freut die Öffentlichkeit. Die Kosten für Rahmung, Fotografie, die didaktische Arbeit und nicht zuletzt die Personalkosten sind weniger interessant. Daher müssen gerade sie präzise und berechenbar kalkuliert sein - denn ohne die Gewährleistung dieser Kosten macht der Aufbau einer Sammlung wenig Sinn.
Von kompetenten und begeisterungsfähigen Mitarbeitern hängt der Erfolg von Artotheken entscheidend ab; Florian Illies hat sie deshalb "Schwellenangstaustreiber" genannt (FAZ, 10.12.93). In der Regel ist der Betrieb von Artotheken mit der Ausweisung eines bestimmten Zeitkontingents im Rahmen einer anderen Beschäftigung gedeckt. Die Entwicklung vieler Artotheken verläuft jedoch dynamisch - und damit steigt der Bedarf an Arbeit an. Sehr häufig wird dieser Mehraufwand durch zusätzliche ehrenamtliche Arbeit abgedeckt - die oft genug von den hauptamtlichen Mitarbeitern erbracht wird. Durch spezielle Ausrichtungen und damit erzielte ABM- oder Projektmittel - z.B. für kunstdidaktische Aufgaben, die Erstellung eines Künstlerverzeichnisse oder den Betrieb einer Künstlerwerkstatt kann dieser strukturbedingte Mangel oft kurzfristig behoben werden. Aber auch hier sind langfristige Lösungen unumgänglich. Sinnvoll ist in jedem Fall die Arbeit mit ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen. Sie bringen eine wertvolle eigene Komponente in die Artothek ein, wenn sie Aufgabenfelder haben, die ihrem Zeitrahmen, ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechen.
Es gibt sehr zahlreiche und von Artothek zu Artothek unterschiedliche Leihbedingungen. Generell gibt es große Unterschiede, die in der jeweiligen institutionellen Verankerung begründet sind. Öffentlich stark geförderte Artotheken dürfen oft keine hohen Leihgebühren erheben, privatrechtlich organisierte sind darauf angewiesen, um einen kleinen Spielraum zu behalten. Im Einzelfall empfiehlt sich der Vergleich zu ähnlichen Artotheken und die Rücksprache mit Kolleg/innen. Für Benutzer sind die Leihgebühren und Verzugsgelder immer die unangenehme Seite. Man sollte diese finanzielle Seite also von vorne herein so anlegen, daß sie klar formuliert sind, einleuchten und am besten über eine längere Frist nicht verändert werden müssen. Abonnements (von denen es auch sehr viele und unterschiedliche Modell gibt) haben sich besonders bewährt: sie lassen die Entleiher nicht immer über die (ohnehin selten überteuren) Gebühren nachdenken, sondern erlauben es ihnen, sich auf die Kunst zu konzentrieren.Wo es von den Statuten her möglich ist, sllte man auch über Leasing-Modelle nachdenken.
Wichtig ist in jedem Falle, daß der Benutzer sich schriftlich zum sorgfältigen Umgang mit den Arbeiten verpflichtet. So könnte er folgenden Text der Benutzerbedingungen als gelesen und akzeptiert unterschrieben: "Die Bilder dürfen nur in den Räumen des Entleihers aufbewahrt und nicht an Dritte weitergegeben werden. Der Entleiher ist verpflichtet, Bilder, Rahmen und sonstiges Zubehör sorgfältig zu behandeln und vor Beschädigungen zu schützen. Die Bilder dürfen nicht aus den Rahmen entfernt werden und müssen vor Feuchtigkeit, direktem Sonnenlicht und Heizungswärme geschützt werden. Die Bilder sind in der originalen Verpackung zurückzugeben. Schäden, die durch fahrlässiges Verhalten des Entleihers entstehen, gehen zu Lasten des Entleihers. Der Entleiher erkennt die Leihbedingungen durch Unterschrift des Leihausweises an." Mitunter ist es hilfreich, den verpflichtenden Charakters dieser Vereinbarung deutlich zu betonen. Er signalisiert schlißlich, daß auch die Artothek ihre Sache ernst nimmt. Und später kann dann niemand sagen, daß er von nichts gewußt habe.
Es empfiehlt sich, für den Gesamtbestand eine Versicherung abzuschließen sowie eine - mit der Leihgebühr entrichtete und anschließend, z.B. quartalsweise mit jeweils einer Mark abgerechnete - Einzelversicherung der Arbeiten. Diese wird in der Regel mit dem Durchschlag des Leihvertrags nachgewiesen. Mit verschiedenen größeren Versicherungsgesellschaften existieren Musterverträge. Wichtig ist, auch den aktuellen Verkehrswert der Arbeiten im Auge zu behalten. Manche Kunstwerke steigen erheblich im Wert, wenn man gut und früh sammelt. Wenn mit der Versicherung ein Höchstwert pro Arbeit vereinbart war, kann diese Grenze überschritten sein. Sinnvoll ist für diese Arbeiten eine Zusatzversicherung, die im Schadens- oder Verlustfall eine Selbstbeteiligung (ähnlich der Kfz-Unfallversicherung) einschließt, aber auch wesentlich höhere Werte versichert.
Ausleihe und Verbuchung richten sich in der Regel nach dem Charakter der jeweiligen Trägerorganisation; Büchereien verfügen zumeist über ein ausgefeiltes Leih- und Mahnsystem. Wichtig ist in jedem Fall, daß der Leihvorgang für den Entleiher zügig und problemlos vor sich geht, daß ihm aber gleichzeitig auch die Verantwortung klar wird, die er für die ihm auf Zeit ausgehändigten Kunstwerke trägt - immerhin sind es, wenn es sich um Unikate handelt, im Verlust- oder Beschädigungsfall unwiederbringliche Werte. Der Verleiher sollte beim Ablauf der Ausleihe deutlich Ruhe und Vorsicht bei der Verpackung der Kunstwerke walten lassen: das hilft sehr dabei, spätere Nachlässigkeiten beim Entleiher zu vermeiden. Es ist absolut ratsam, einen einfachen Leihvertrag abzuschließen und eine Unterschrift leisten zu lassen. Daß über jeden Leihvorgang Buch geführt werden muß, versteht sich von selbst.
In der Handverbuchung ist in jedem Falle die Anlage eines einfach zu handhabenden Zettelkastens und eines Fristenbuchs sinnvoll, um bei Fristüberschreitungen zügig Mahnungen zu versenden - am besten mit Angabe der aktuellen Mahngebühr. Mittlerweile existieren jedoch zahlreiche (und immer preisgünstigere) computergestützte Verbuchungssysteme, welche die täglichen Routinevorgänge stark vereinfachen können. Dabei ist genau zu überlegen, ob die Synergieeffekte der einheitlichen Verbuchung in einer öffentlichen Bibliothek auch eventuelle Nachteile in der Systematik wettmachen - und auch, ob ein numerisch kleiner Leihverkehr die (mitunter aufwendige) Einrichtung des Systems lohnt.
Daß angesichts des gemeinnützigen Auftrags von Artotheken und der in der Regel verwendeten öffentlichen Mittel über Einnahmen und Ausgaben Buch geführt werden muß, liegt auf der Hand. Die Zusammenarbeit mit einem lokalen Kreditinstitut sollte dabei von vornherein so eingerichtet werden, daß für die einzelnen Buchungsvorgänge keine Gebühren entstehen.
Der Artotheksbetrieb ist neben dem Leihgeschehen geprägt von systematischen Arbeiten. Grundlegend ist die sorgfältige Erfassung jedes einzelnen Werks, das eine Inventarnummer zugeordnet bekommt, die es mit anderen unverwechselbar macht. Daher sollte ein Eingangsbuch geführt werden und eine dem Publikum nicht zugängliche Kartei. Zu einer sorgfältigen Inventarisierung gehören: - Vollständiger Name des Künstlers (auch mit einem Vermerk eventueller Namenswechsel) - Vollständiger Bildtitel (d.h. auch z.B.: "aus der Serie der großen Gefühle", Blatt 4). Nicht vom Künstler selbst bereits vorgenommene Abkürzungen führen über kurz oder lang zu Mißverständnissen - Entstehungsjahr der Arbeit (was bei konzeptuell arbeitenden Künstlern durchaus in Projekt- und Realisierungsjahr unterschieden sein kann, z.B. 1971/82) - Maße (Blattmaße), bei Druckgrafik auch Platten bzw. Motivmaße, jeweils Höhe mal Breite (mal Tiefe) - Technik (möglichst präzise) - Auflagenzahl, soweit es sich um Druckgrafik handelt - Inventarnummer, die als Eigentumsvermerk in der Regel mit Bleistift auf der Rückseite der Arbeit vermerkt werden sollte - zusätzliche Vermerke über Signaturen und Beschriftungen sowie den Zustand der Arbeiten und eventuelle Restaurierungen - Erwerbsquelle - Erwerbsart (Schenkung, Kauf, etc.) - Ankaufspreis - Versicherungswert - Stellplatz der Arbeit. Daneben sollte ein Fotoarchiv bestehen, in dem jede Arbeit - zumindest diejenigen, die sich im Verleih befinden - in Farbe abgebildet ist. Wichtig ist, auch im Hinblick auf spätere Projekte, hier auf gute, reprofähige Qualität der Fotos zu achten. Spätere Nachbesserungen bei laufendem Leihbetrieb können schmerzhaft aufwendig sein.Mittlerweile sind mitunter hierfür auch Digitalkameras geeignet. Man sollte aber darauf achten, daß das Fotoarchiv einen einheitlichen Standard aufweist.
Für einen Computer gibt es in einer Artothek sehr sinnvolle Einsatzgebiete. Zahlreiche Arbeitsschritte unterliegen einer gewissen Routine, bei der ein darauf abgestimmtes System Erleichterungen schafft. Das gilt zunächst einmal auch für das Inventarisieren und Verwalten der Sammlung. Die entsprechenden Datensätze müssen für die Versicherung, die Verbuchung, die Stammkartei, die Beschriftung der Arbeiten und Reprofotos sowie der Katalogseiten verfügbar sein. Beim Übertragen dieser Informationen ergeben sich in der Regel schnell Fehler, die durch die systematische Verwendung eines Rechners gemildert werden können. Daß daneben Schreibarbeiten, insbesondere formalisierte Korrespondenz etc. mit einem Textverarbeitungssystem leichter laufen, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Auch die Verwaltung der Adressen als Kundenkartei oder - im Falle eigener Veranstaltungen - ein allgemeiner Post- oder eMail-Verteiler ist mit einem PC zu vereinfachen. Die Verbuchung des Leihbetriebs ist ein weiteres sinnvolles Anwendungsfeld, das sinnvollerweise in die vorhandenen Programme intergriert sein sollte. In der Praxis hat sich bewährt, die verwendeten Programme sehr genau auf die eigenen Bedürfnisse und die eventuell mit der Artothek kommunizierenden Stellen abzustimmen und diese Architektur (z.B. Datenbank, Schreibprogramm und Tabellenkalkulation) für zukünftige Entwicklungen offen zu halten. Ein eigener Internet-Anschluss sollte mittlerweile in keiner Artothek fehlen - nicht zuletzt weger der Internetpräsenz so zahlreicher Informationen, die man recherchieren kann, aber auch zur Pflege der eigenen Daten.
Wo Artotheken über eigene Räume für Ausstellungen verfügen, empfiehlt sich eine Ausstellungsreihe aktueller Kunst und die Möglichkeit zur Ausstellung und der Ankauf einer Arbeit durch die Artothek können durchaus gekoppelt sein. Wo ohnehin ein Ausstellungsprogramm abläuft - wie beispielsweise in Museen oder Kunstvereinen, kann oft durch eine systematische Hängung der Artotheksarbeiten oder sonstige Aktivitäten besser verfahren werden. Ausstellungen außer Haus haben eine hohe Öffentlichkeitswirkung - im Gegensatz zum oft wenig spektakulären alltäglichen Leihbetrieb. Dabei ist aber zu überlegen, welche Zusammenstellung von Arbeiten schon die Bezeichnung "Ausstellung" verdient - und ob nicht erst mit einem üblichen Rahmen (Eröffnungsveranstaltung, Einladungen etc.) die Unterschiede zur einfachen Ausleihe markiert werden können.
Artotheken sind durch die Ausleihe Orte, an denen vergleichsweise viel über Kunst gesprochen wird - und zwar besonders von Menschen, die sich Bildender Kunst gerade erst annähern. Als Einstiegsmöglichkeit für Ungeübtere in die Beschäftigung mit Kunst erfüllt die Artothek einen wichtigen Bildungsauftrag. Um Gespräche über Kunst zu ermöglichen, sollte nicht nur kompetentes Personal bei der Ausleihe zugegen sein, sondern auch Leseangebote wie Biografieblätter, Einführungstexte, Zeitschriften etc. oder Einladungen zu anderen Kunstveranstaltungen. Ansprechpartner zu sein im Sinne der Kunstvermittlung zahlt die so investierte Zeit oft aus: Zahlreiche Artotheksbenutzer sind Sammler geworden, andere beispielsweise unterstützen die Artothek durch ehrenamtliche Arbeit oder sind Mitglieder in Kunstvereinen geworden. Besonders interessant ist für viele Künstler die Möglichkeit, eine unmittelbare Rückkopplung auf ihre Arbeiten zu haben, die sonst in dieser Form nirgends möglich ist. So kann die Artothek ein lebhafter Kommunikationsort werden - der diese Funktion eventuell durch die Herausgabe eines lokalen Künstlerverzeichnisses unterstreicht. Letztlich können gezielte Gesprächsveranstaltungen - wie im Fall der Artothek im Bonner Kunstverein die "Glashausabende" Entscheidendes dazu beitragen, Künstler und Publikum zusammenzubringen. Wert sollte jedoch dabei gelegt werden auf ein möglichst voraussetzungsfreies Gespräch, in dem ein Publikum ohne theoretische Vorkenntnisse oder Erfahrung im Ausstellungsbesuch teilnehmen kann. Eine lockere thematische Vorgabe und die Präsentation nicht zu vieler Originale des Künstlers haben sich dabei sehr bewährt.
Artotheken sollten versuchen eine Sammlung zeitgenössischer Kunst zusammenzutragen, die sowohl vom Anspruch als auch von der faktischen Haltbarkeit der Arbeiten her auf lange Dauer hin angelegt ist.
>Ankaufskriterien<
Kriterien für den
Ankauf von Arbeiten sind: Liefert diese/r Künstler/In einen wesentlichen Beitrag
zum Kunstgeschehen seiner Zeit? Steht diese Arbeit in dichtem Zusammenhang mit
den wichtigsten Arbeiten der Künstler? Ist diese Arbeit auch in dieser Form
vermittelbar bzw. vermittelt sie sich selbst? Für die Haltbarkeit einer Arbeit
sind wesentliche Kriterien: Kann man sie so rahmen, daß Schäden weitgehend auszuschließen
sind? Überfordert sie in Größe (bis ca. 100 x 70) und Gewicht (5 Kg) niemanden?
Kann man sie in einem PKW transportieren? Paßt sie sich in ein handhabbares
Ausleihsystem ein, d.h. kostet sie und ihre Verpackung nicht zuviel Raum oder
Wartungsaufwand?
>Woher
die Arbeiten kommen<
Die Sammeltätigkeit von Artotheken vollzieht sich aus mehreren Gründen langsam:
zum einen sind sie - wie fast allen mit bildender Kunst befaßten Einrichtungen
- von öffentlichen Mitteln abhängig. In der Regel stellt die Kommune einen Betrag
zum Ankauf von Arbeiten zur Verfügung. Daneben geben Sparkassen, Banken und
Versicherung der Artothek oft die Möglichkeit, Arbeiten auszusuchen, die anschließend
als Dauerleihgaben an die Artothek zur Verfügung stehen.
Einen wesentlichen Beitrag leisten immer wieder die Künstler. Zahlreiche Arbeiten sind großzügige Geschenke von Künstlern an die Artothek. Wenn Artotheken - ähnlich wie sich das mit Jahresgaben verhält - Editionen herausgeben, dann eignen sich die Arbeiten und deren Erlöse ebenfalls zum Ankauf. Nicht zuletzt haben Galerien Arbeiten an die Artothek verschenkt und gewähren nach wie vor z.T. nicht unerhebliche Rabatte beim Ankauf.
>Nur für gute Arbeiten kann
man einstehen<
Eine kritische und sehr sorgfältige Auswahl der Arbeiten zahlt sich immer aus
- auch bei Geschenken. Anstelle einer großen Anzahl von Gründen sei hier nur
auf zweierlei hingewiesen. Zum einen haben nahezu alle Artotheken einen hohen
Effektivitätsgrad. Das heißt aber auch, daß sie immer nur Reste des Gesamtbestands
für die Ausleihe zur Verfügung haben. Hier deutlich "schwächere" Arbeiten zu
präsentieren bedeutet ein schiefes Bild abzugeben: Kompromisse sollten auf keinen
Fall das Erscheinungsbild bestimmen. Eine ausgewogen gute Sammlung ist auch
ein überzeugender Anreiz für sachkundige Spender (also hier vor allem Künstler
und Galeristen), Artotheken nicht als "Resteverwerter" und "Allesfresser" abzutun,
sondern zur Qualität selbst maßgeblich beizutragen.
In der Regel stehen in den Artotheken keine absolut großen Geldmengen zum Ankauf zur Verfügung - zumindest nicht, um damit als Existenzfaktor für die ortsansässigen Künstler relevant zu sein. Dennoch ist eine Ausstellung in der Artothek oder der Platz in einer mit kritischer Auswahl zustandekommenden Artothekssammlung ein Prestigefaktor für Künstler - und die finanzielle Vergütung unterstreicht die Anerkennung der künstlerischen Leistung. Umgekehrt erkennen die meisten Künstler die Vermittlungsarbeit von Artotheken an und unterstützen die Unternehmung durch Information, aber auch durch großzügige Schenkungen. Daß Artotheken durch ihre Sach- und Vermittlungskompetenz Künstler/innen fördern, versteht sich von selbst: man kann viel tun auch dann, wenn die Mittel von Dritten kommen.
Es ist ein überaus beleibtes Vozugskind des Kulturmanagements: Festivals, Events, Ereignisse und Projekte erfordern nur eine einmalige Finanzierung und versprechen eine (gleichwohl ebenfalls einmalige) starke öffentliche Wirkung. Eine Artothek ist in der Regel darauf angewiesen, daß neben der Ausleihtätigkeit für das Publikum weitere Zugänge zur Kunst erschlossen werden können. Ein vielfältiges Spektrum an Möglichkeiten erstreckt sich von Künstlergesprächen über Atelierbesuche bis hin zu Bazaren oder Auktionen. Innerhalb dieses Spektrums sollte sehr genau darauf geachtet werden, an wen sie gerichtet sind: ein Gespräch mit großem Publikum muß allgemein verständlich bleiben, ein wissenschaftlicher Fachvortrag wird ohne das eine oder andere Fremdwort nicht auskommen. Bei aller Vielfalt der Möglichkeiten sollte darauf geachtet werden, daß das Beiprogramm eine sinnvolle und stimmige Ergänzung zur Ausleihe bildet - anderenfalls besteht die Gefahr, selbst eine Konkurrenz zum für sich genommen nicht immer spektakulären Verleih zu schaffen. Ein wichtiges Feld der Vermittlung sind die Begleitpublikationen von Artotheken. Sinnvolle Maßnahmen sind sowohl systematische Informationen über Künstler (Biografie, Bibliografie, Ausstellungsverzeichnis) als auch eigene Einführungstexte, die kurz auf wesentliche Elemente des künstlerischen Werkes hinweisen.
Für Seminare, insbesondere kunsthistorischer oder kunstpädagogischer Fachrichtung, bieten Artotheken gute Möglichkeiten. Sie nehmen von jeher ohnehin einen Bildungsauftrag wahr, denn sie vermitteln Kunst auch an Kreise der Bevölkerung, in denen die Beschäftigung mit Kunst sonst nicht üblich wäre. Von daher liegt es nahe, diesen Auftrag einerseits auch auf fachlich besser vorbereitete Kreise - wie Abendschulen, die VHS, Kunstschulen und Universitäten - auszudehnen sowie andererseits die eigentliche didaktische Aufgabe von Artotheken zum Thema zu machen. Um das beides zu tun, haben Artotheken noch einige sachliche Vorteile. Zum einen sind sie gut überschaubar, so daß ein Überblick innerhalb eines Semesters gut möglich ist. Zum anderen sind die Arbeiten in der Regel sofort und im Original verfügbar. Nicht zuletzt sind sie gerahmt und damit handhabbar. Dadurch kann die Handhabung und der Umgang mit Kunstwerken geübt werden. Vor allem aber ergibt sich eine fast ideale Arbeitssituation für das Erstellen eines Referats, wenn der Referent das Original am eigenen Schreibtisch vor Augen haben kann. Zahlreiche präzise und während des sonst üblichen Arbeitens mit Dias wohl kaum mögliche Beobachtungen haben daher beispielsweise Referate im Rahmen der Zusammenarbeit der Artothek im Bonner Kunstverein mit der Universität Bonn ausgezeichnet. Dazu gehören vor allem technische Präzisierungen in der Inventarisation, aber auch Präsentationsvorschläge für bestimmte Arbeiten, Aspekte der Sammlungsbetreuung wie zum Beispiel konservatorische Fragen.
>Learning by doing< Artotheken bieten nahezu ideale Möglichkeiten, im Rahmen eines Praktikums das Studium oder andere Ausbildungsgänge durch angewandtes Arbeiten zu ergänzen. In der Regel kann ein solcher Einsatz die hauptamtlichen Artotheksmitarbeiter entlasten. Praktika werden von den Universitäten in dieser Funktion geschätzt und öfters in den Studienordnungen empfohlen bzw. sogar gefordert. Im Falle des kunsthistorischen Instituts der Bonner Universität wird ein mindestens 6-wöchiges Praktikum als Ersatz für die wegen des großen Andrangs nicht immer gewährleistete obligatorische Exkursion anerkannt. Im Vergleich zu Museumssammlungen verfügen Artotheken über deutlich weniger Arbeiten. Das macht sie auch für den verhältnismäßig kurzen Zeitraum eines Praktikums überschaubar. Daneben bietet sich die arbeitstechnisch sinnvolle Gelegenheit, daß der Praktikant auch systematische Arbeiten an der Sammlung im Rahmen eines Praktikums voll abschließt. Typisch wären etwa Inventuren der Sammlung, des Fotoarchivs, des technischen Gesamtbetriebs. Wenn der Praktikant die Sammlung kennengelernt hat, sollte ihm auch ein selbsterarbeitetes Kleinprojekt möglich sein, beispielsweise die Zusammenstellung von Arbeiten für eine Ausleihausstellung mit thematischem Zusammenhang. Daß das Arbeiten in einer Sammlung immer wieder die verschiedensten praktischen Fragen auftauchen läßt (Welche grafische Technik ist hier verwandt; wie konnte es zu dem Schaden kommen, welcher Rahmen ist für diese Arbeit sinnvoll), liegt in der Natur der Sache. Vor allem die Kunstvermittlung ist im Rahmen eines Praktikums eine wichtige Aufgabe, da solchen direkten und offenen Arbeitsformen beruflich wichtig sind und an der Unversität nicht geübt werden. Wenn die Artothek zusätzlich kleine Ausstellungen oder Veranstaltungen unternimmt, ergibt sich selbstverständlich ein zusätzliches weites Feld von Möglichkeiten, die von einer selbst verfaßten Pressemitteilung bis hin zur praktischen Mitarbeit bei der Hängung reichen können. Vermittlungsprojekte
Artotheken sind wegen ihrer öffentlichen Stellung auf eine gute Zusammenarbeit mit Politikern angewiesen. Es empfiehlt sich daher, den öffentlichen Nutzen einer Artothek immer wieder deutlich herauszustellen. Neben einer geplanten und berechenbaren Pressearbeit als mittelbarer Weg bietet sich die direkte Ansprache an politische Personen an: Wer die Funktionsweise und die Vorteile ausgeliehener Bilder materiell in seinem Büro oder Fraktionsraum vor Augen hat, wird auch die mitunter von Sparvorschlägen bedrohte Existenz einer Artothek besser verteidigen können. Auch Sitzungen, z.B. des Kulturausschusses in den Räumen der Artothek, helfen dabei, das Anliegen der Artothek transparent zu machen und Begeisterung für diesen Bereich der Kultur zu fördern.
Die Ausleihe von Kunstwerken an sich ist wenig spektakulär: Artikel à la "Günstig einen Beuys fürs Wohnzimmer leihen" bilden dennoch in der Regel das oft wiederholte Echo der Presse auf die Artothekenarbeit. Die Berichterstattung lebt von Neuigkeiten: Wechselnde Ausstellungen, Veranstaltungen, oder Ankäufe sind oft eher eine Meldung wert als das grundsätzliche Angebot. Zu achten ist auch auf die in Tageszeitungen oft deutliche Trennung zwischen Feuilleton und allgemein relevanten Themen. In der Regel sind gründliche Vorinformationen ausreichend - in einzelnen Fällen lohnt sich auch - entsprechende Substanz vorausgesetzt - eine eigene Pressekonferenz. Da Artotheken Bildende Kunst vermitteln, ist die Bereitstellung von Bildmaterial nicht nur sinnvoll, sondern auch sehr wirkungsvoll. Auch Journalist/innen haben ihre Vorgaben. So empfiehlt es sich, neben den Abbildungen von Exponaten und Ausstellungen unbedingt mehrere Fotos bereit zu halten, die zeigen, wie ausgeliehen wird.
Firmen, insbesondere Geldinstitute, fördern oft den Ankauf von Arbeiten bzw. stellen Dauerleihgaben zur Verfügung. Dafür nehmen sie gerne den Sachverstand und den Service der Artothek für die Ausstattung der Büroräume bzw. kleine Ausstellungen in Anspruch. Man sollte versuchen, aus dieser Interessenlage Vorteile für die Artothek zu ziehen - und gleichzeitig dem Vorurteil begegnen, Firmen würden diese mit öffentlichen Geldern betriebenen Einrichtungen ausnutzen. In der Regel sind es nur wenige Personen, die sich innerhalb eines Betriebs für zeitgenössische Kunst engagieren. Es hängt vom Grad der Betreuung dieser Multiplikatoren ab, wie lange sich das Interesse an dieser Form von "Kunst im Betrieb" hält. Dabei besteht auch die Möglichkeit, kleinere Ausstellungen zusammenzutragen, in Firmen zu zeigen und anschließend von dieser als Gesamtes oder in Teilen der Artothek zu stiften. Die Entleihe durch eine Firma oder Behörde umfaßt in der Regel mehrere Arbeiten. Engpässe treten dabei für den übrigen Leihverkehr selten auf, da bei einer konzeptuellen Zusammenstellung auch die sonst wenig nachgefragten druckgrafischen Zyklen ausgeliehen werden können. Die Mitarbeiter der Artothek besuchen Leihnehmer in deren Räumen nur in Ausnahmefällen, wie beispielsweise eine komplizierte Zusammensetzung der ausgeliehenen Arbeiten, die erste Präsentation oder Zusammenhänge mit anderen Anliegen. Ein solches "Extra" über die Regel hinaus darf sich durchaus für die Artothek auszahlen, in Form von Geld- oder sachspenden oder einer späteren für die Artothek günstigen Zusammenarbeit.