"Die wirtschaftliche Lage der bildenden Künstler ist seit jeher ungünstig. Heute besonders. Es fehlt an Absatzmöglichkeiten. Nur ein ganz geringer Prozentsatz der immer neu entstehenden Kunstwerke findet Absatz durch Verkauf. In den Ateliers der Künstler stapeln sich die Bilder in Massen und modern und bilden einen Ballast. Von den Ausstellungen kommen sie zurück, wenn sie überhaupt ausgestellt sind, und haben somit ihren fraglichen Zweck erfüllt. Höchstens daß sie in Ermangelung an Leinwand und Farben übermalt werden. Dem Künstler bedeuten sie nur die Fruchtlosigkeit seiner Bemühungen in materieller Hinsicht und Freudlosigkeit und Hoffnungslosigkeit erlahmen das künstlerische Schaffen. Man spricht von Überproduktion, da keine Absatzmöglichkeit vorhanden ist.
Und dennoch wäre die Möglichkeit gegeben, den größten Teil der künstlerischen Produktion ihrem wirklichen Zweck zuzuführen und dadurch Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstand zu werden, dem Künstler Existenzmöglichkeit zu verschaffen von seiner Arbeit. Der Zweck eines Kunstwerkes ist in Wirklichkeit nicht derjenige, verkauft zu werden und somit ein Besitz des Käufers oder Sammlers zu sein. Der Zweck des Kunstwerkes ist, künstlerisch anzuregen und außerdem zu schmücken. Genauso wie man sein Zimmer schmückt mit Blumen, die man stets erneuert, sollte man die Wände schmücken, indem man die Kunstwerke erneuern kann. Durch die Erneuerung wird die künstlerische Anregung lebendig. Ein gekauftes Bild, das man eine Zeitlang hängen hat, verliert in den meisten Fällen an Interesse, und man sieht es nicht mehr, genau so wie man die Möbel nicht mehr sieht. Die Lebendigkeit der Beziehung zum Bilde geht vollständig verloren, da es an Interesse eingebüßt hat. Mit den Möbeln ist man aber ständig in Beziehung, da man sie benutzt, obzwar sie das Interesse des Neuen nicht mehr haben. Das Bild dagegen ist ein toter Schmuck geworden. Wenn aber in dem Augenblick, wo das Bild kein Interesse mehr erzwingt, ein neues an seine Stelle kommt, so ist die Beziehung zum Bilde als Schmuck lebendig, abgesehen davon, daß man künstlerisch angeregt wird.
Ein 'Verleihinstitut' veranstaltet monatlich Ausstellungen guter Kunst. Die Bilder-Abonnenten suchen sich die Bilder aus, die sie eine bestimmte Frist bei sich aufhängen wollen. Eine Speditionsfirma besorgt den Transport hin und zurück. Die Kunstwerke sind gegen Feuer und Schäden versichert. Der Abonnementspreis richtet sich nach der Zahl der Bilder, die man im Laufe eines Jahres auswechseln will. Die Rentabilität muß ausgerechnet werden, doch muß der Abonnementspreis gering genug sein, damit alle Schichten des Publikums sich abonnieren können, wodurch eine größere Verleihmöglichkeit entsteht. Der Künstler erhält für jedes verliehene Werk eine Leihgebühr durch das Institut. Somit bedeutet jedes verliehene Werk ein Kapital, das verzinst wird. Das Bildermaterial wird zum Kapital, das sich im Umlauf befindet und dem 'Bilderkapitalisten' Existenzmöglichkeit bietet. Je größer das Material, desto größer die Möglichkeit. Das Kunstwerk wird ein Gebrauchsgegenstand, der auch verbraucht wird. Ein Bild, das oft verliehen wurde, ist verbraucht wie ein Buch aus der Leihbibliothek, das durch viele Hände gegangen ist, und muß ersetzt werden. Somit entsteht Produktionsmöglichkeit und für den Künstler Arbeitsfreudigkeit. Das Kunstwerk spielt eine neue Rolle und die Einstellung zur Kunst wird eine andere.
Dem Ankauf eines Kunstwerkes wird dadurch sogar bessere Möglichkeit geboten. Man hat das Kunstwerk bei sich zu Hause, und der Entschluß ist überlegter. In Schulen, Sanatorien, Hotels usw. findet in dieser Weise die Kunst Eingang. Die BiIderverleih-Institute sind einfach und leicht zu organisieren. Ein Prozentsatz der Leihgebühr erhält sie.
Ausstellungen allein sind unzulänglich. Durch die Verleih-Institute werden dem Künstler intime Ausstellungsmöglichkeiten gegeben in den Wohnungen der Abonnenten. Man kann sich eingehender mit ihren Werken beschäftigen und wird manchem Werk gerecht, das in Ausstellungen nicht zur Wirkung kommt. Viele, die nicht imstande sind, sich mit Kunst zu umgeben, erhalten die Möglichkeit, und da der Künstler nicht mehr allein auf den Verkauf angewiesen ist, ist er in der Lage, im Verkaufsfalle seine Werke billig abzugeben.
zit. nach Dietze 1986